Süddeutsche Zeitung

EU-Außenministertreffen in Luxemburg:Ein bisschen Einigkeit

Lesezeit: 3 Min.

Daniel Brössler, Luxemburg

Es ist ein Treffen der Außenminister, aber einer zumindest will es mit der Diplomatie nicht übertreiben. "Wir haben eine Notlage", sagt Ungarns Außenminister Peter Szijjártó vor Beginn des Gespräches mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg.

Er spricht von "aggressiven" Migranten, blockierten Autobahnen sowie Gleisen in seinem Land und auch wieder davon, wer seiner Meinung nach Schuld ist daran: "Was letzte Nacht in Ungarn passiert ist, ist die Konsequenz zweier Dinge. Erstens der verfehlten Migrationspolitik der Europäischen Union und außerdem einer Reihe verantwortungsloser Äußerungen europäischer Politiker." Da ist er wieder, der Vorwurf, den schon der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán erhoben hatte, dass nämlich Bundeskanzlerin Angela Merkel die Flüchtlinge geradezu angelockt habe, die nun durch Ungarn ziehen.

Eigentlich würden die Außenminister bei ihrem informellen Treffen in Luxemburg gerne eine tatkräftige Botschaft in die vom Ausmaß der Flüchtlingskrise überwältigte Union senden. Die Äußerungen des Ungarn aber zeigen gleich am Morgen, wie schwierig das ist. Trotzdem wollen die Außenminister n der Flüchtlingskrise auf keinen Fall so hilflos wirken wie sie sind.

Deshalb steht der Ungar mit seiner scharfen Rhetorik auch rasch allein. Polen, Slowaken und Tschechen - mit den Ungarn in der Visegrad-Gruppe verbündet - sind erkennbar daran interessiert, den Streit nicht weiter anzufachen. "Es hat keinen Sinn, wenn wir uns gegenseitig Vorwürfe machen", beschwichtigt der tschechische Vize-Außenminister Jakub Kulhánek und will über den Prager Vorschlag, Flüchtlinge durch Korridore einfach nach Deutschland zu schaffen, sicherheitshalber nicht weiter reden.

Widerstand gegen die Quote

In einem aber bleiben die Visegrad-Staaten hart: Eine EU-weite Verteilung von Flüchtlingen über verbindliche Quoten lehnen sie ab - und damit im Vorhinein genau den Vorstoß, den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nächste Woche im Europaparlament präsentieren will.

"Wie kann man über Quoten reden, wenn die Zahl der Flüchtlinge immer noch steigt?", fragt der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák. Damit schaffe man nur einen Sogeffekt. Und wie solle das praktisch funktionieren, setzt er nach: "Gibt es eine Lotterie? Wer gewinnt, darf nach Deutschland. Wer verliert, muss nach Estland oder in die Slowakei?" Das klingt sarkastisch, trifft aber einen wunden Punkt. Tatsächlich wollen die Flüchtlinge ganz überwiegend nach Deutschland oder Schweden. Woran sich durch eine Quotenregelung erst mal nichts ändern würde.

Man sei gar nicht rundheraus gegen Quoten, sagt Lajčák. Nur verbindlich dürften sie auf keinen Fall sein. Die Regierungen aller Visegrad-Staaten verweisen auf die Stimmung in ihrer Bevölkerung. Da gebe es keine Zustimmung zur Aufnahme von Muslimen. Es habe, sagt der tschechische Vizeminister nach dem Luxemburger Treffen, Einigkeit geherrscht, "dass wir zur Lösung der Migrationskrise die Unterstützung der Öffentlichkeit benötigen".

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier allerdings bleibt dabei: "Am Ende kommen wir an der Frage einer gerechten Verteilung nicht vorbei." Und wenn jetzt von mehr als 100 000 zu verteilenden Flüchtlingen gesprochen werde, dann sei das noch viel zu wenig. Zwar sei es noch nicht gelungen, "die Zweifelnden zu überzeugen", doch die Bereitschaft, sich an einer Gesamtlösung zu beteiligen, scheine zu steigen.

Zusammen mit seinem österreichischen Kollegen Sebastian Kurz plädiert Steinmeier für einen baldigen Gipfel der Staats-und Regierungschefs. Nach seinen Vorstellungen soll es über ein schon angesetztes Sondertreffen der Innenminister im September hinaus eine gemeinsame Sitzung der Innen- und Außenminister und Anfang Oktober einen Gipfel geben. Bei vielen Kollegen stößt der Vorstoß allerdings auf Skepsis. Was bringe ein Gipfeltreffen, wird gefragt, wenn sich keine Lösung im Quotenstreit abzeichne?

Europas Ruf steht auf dem Spiel

Ein wenig Einigkeit gibt es in Luxemburg aber auch. Steinmeier fordert mehr Hilfe für die Transitstaaten, da widerspricht keiner. Auch die Forderung nach Aufnahmezentren etwa in Afrika findet Zuspruch. Der Plan bringt allerdings nur etwas, wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini klar macht, wenn Schutzbedürftige dann auch nach Europa weiterverteilt werden können. Wie das funktionieren soll, aber bleibt erst einmal im Dunkeln.

Einig sind sich auch alle, dass die "Fluchtursachen" müssten bekämpft werden müssen. Nach der Einigung im Atomstreit mit Iran sei der diplomatische Spielraum für eine Lösung in Syrien größer geworden, weckt Mogherini vage Hoffnung.

Erst einmal muss Europa, das betont die Italienerin allerdings auch, die akute Krise meistern. "Wir sind das reiche Europa", ruft sie in Erinnerung. Ein Europa, das jetzt einen Ruf zu verlieren habe.

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