Süddeutsche Zeitung

Tallinn:Estlands Regierungschef Ratas ist zurückgetreten

Lesezeit: 1 min

Hintergrund sind ein Korruptionsverdacht und entsprechende Ermittlungen in dem EU-Land: Bei der Vergabe eines Darlehens durch die staatliche Finanzagentur soll es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein.

Estlands Ministerpräsident Jüri Ratas ist nach Korruptionsvorwürfen gegen seine Partei zurückgetreten. Er wolle damit die politische Verantwortung übernehmen und die Möglichkeit geben, die Vorwürfe aufklären zu können, teilte Ratas in Tallinn mit. Die Justizbehörden des baltischen EU-Landes hatten zuvor gegen Ratas' linksgerichtete Zentrumspartei Ermittlungen wegen eines staatlichen Hilfskredits an ein Immobilienprojekt eingeleitet.

"In der Politik müssen sehr schwierige Entscheidungen getroffen werden, um schwierige Situationen zu lösen", sagte Ratas in einer Erklärung vor der Presse. Die Entscheidung zum Rücktritt sei nach Beratungen mit seiner Partei getroffen worden. Ratas betonte, der Verdacht der Staatsanwaltschaft bedeute nicht, dass jemand bereits endgültig schuldig sei. Der Verdacht werfe aber unweigerlich einen sehr ernsthaften Schatten auf alle Beteiligten.

Hintergrund der Ermittlungen ist ein Darlehen in Höhe von knapp 40 Millionen Euro, das die staatliche Finanzierungsagentur Kredex im Sommer 2020 für die Entwicklung eines großangelegten Immobilienprojekts in Tallinn gewährt hat. Der Entscheidung sollen unerlaubte Absprachen vorausgegangen sein. Unter den Verdächtigen ist Zentrumspartei-Generalsekretär Mihhail Korb, die Partei selbst wird als juristische Person verdächtigt. Am Dienstag wurden außerdem vier Personen vorläufig festgenommen.

Ratas beteuerte, nicht über die Einzelheiten des umstrittenen Darlehens informiert gewesen zu sein. "Ich kann mit voller Sicherheit sagen, dass ich als Ministerpräsident keine einzige böswillige oder wissentlich falsche Entscheidung getroffen habe", sagt er. Nach Angaben des Generalstaatsanwalts deutet bislang auch nichts darauf hin, dass Partei- und Regierungschef Ratas Kenntnis von den Vorgängen hatte.

Ratas regiert in Estland mit seiner linksgerichteten Zentrumspartei in einem Dreierbündnis mit der rechtspopulistischen Estnischen Konservativen Volkspartei (EKRE) und der konservativen Partei Isamaa. Er amtiert seit 2016 als Regierungschef.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5172638
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/jael
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.