Süddeutsche Zeitung

Bundesgerichtshof:Elternschaft nicht für alle

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Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Mit einem Federstrich sollte die Ehe für alle sämtliche Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher Paare ausräumen. Doch nun, gut ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar: Ganz so schnell geht es doch nicht. Die sogenannte Vaterschaftsvermutung, nach der ein verheirateter Mann automatisch Vater der Kinder seiner Frau wird, gilt nicht für lesbische Paare.

Geklagt hatte eine Frau, die im Oktober 2017 ihre gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft in eine Ehe hatte umwandeln lassen; da war das neue Gesetz noch keine zwei Wochen alt. Kurz darauf brachte ihre Frau ein Kind auf die Welt, gezeugt mittels künstlicher Befruchtung durch Spendersamen.

Die Klägerin wollte sich daraufhin als "weitere Mutter" ins Geburtenregister eintragen lassen - so wie der Ehemann als "Vater" eingetragen wird. Denn nach Paragraf 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt als Vater, wer "zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist". Das, so forderte die Frau, müsse auch für sie gelten - Ehe für alle eben.

Während das Amtsgericht Chemnitz ihr noch recht gegeben hatte, wies der Familiensenat des BGH die Klage ab. Erstens spreche der Wortlaut des Gesetzes klar dagegen - dort stehe nun mal "Vater" und nicht "Mutter", und darüber wollte sich der BGH nicht hinwegsetzen. Zweitens ist eine entsprechende Anwendung des Gesetzes aus Sicht des BGH jedenfalls nicht zwingend, weil man bei verheirateten Männern normalerweise ihre biologische Vaterschaft unterstellen kann (Ausnahmen bestätigen die Regel). Bei lesbischen Paaren scheidet das aus.

In früheren Fällen hatte der BGH durchaus gleichgeschlechtliche Elternpaare akzeptiert - allerdings auf dem Umweg über das Ausland. Zwei schwule Männer, in den USA legal als Co-Väter eines von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes anerkannt, setzten 2014 in Karlsruhe ihre gemeinsame Elternschaft durch.

Im konkreten Fall dürfte die Zurückhaltung des BGH daran liegen, dass er dem Gesetzgeber nicht vorgreifen will. Er verweist ausdrücklich auf den im Sommer abgeschlossenen Bericht des "Arbeitskreises Abstammungsrecht", der eine umfassende Reform vorbereiten sollte; auch im Koalitionsvertrag findet sich dazu eine Absichtserklärung. Sollten die Vorschläge des Expertengremiums umgesetzt werden, dann gäbe es künftig die doppelte Mutterschaft für lesbische Ehepaare - und zwar ebenfalls durch einen gesetzlichen Automatismus. Der Arbeitskreis hatte sich mit großer Mehrheit für eine Gleichbehandlung mit Heteropaaren ausgesprochen.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2018
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