Doktortitel in der Politik:Club der akademischen Schönfärber
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Karl-Theodor zu Guttenberg soll bei seiner Doktorarbeit massiv abgeschrieben haben. Doch der Verteidigungsminister wäre nicht der Erste, der ohne großen Aufwand ein "Dr." vor dem Namen stehen haben wollte.
Thorsten Denkler, Berlin
Wie schön muss es doch sein, einen Doktortitel zu führen. So ein "Dr." vor dem Namen verschafft einem in gewissen Kreisen noch Respekt. Wie blöd muss es dann sein, wenn herauskommt, dass der Titelträger nicht mit der nötigen Sorgfalt zur Sache gegangen ist. Abkupfern, blenden, im schlimmsten Fall mit Geld den Titel kaufen.
Das hat es wohl immer schon gegeben. Zum Skandal wird es, wenn geachtete Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Wettbewerb um akademische Ehren zu unlauteren Mitteln greifen. Die Plagiatsvorwürfe gegen Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg reihen sich ein in eine lange Reihe von prominenten Schönfärbern.
Sie war kaum im Amt, als Ende November 2009 erste Zweifel an der Doktorarbeit der jungen Ministerin aufkamen. Damals hieß Schröder noch Köhler mit Nachnamen. Unter diesem Namen hatte sie im Februar 2009 ihre Doktorarbeit bei dem bekannten Mainzer Politikprofessor Jürgen Falter eingereicht. Der Titel der 303-Seiten-Arbeit klingt noch vielversprechend: "Gerechtigkeit als Gleichheit? Eine empirische Analyse der objektiven und subjektiven Responsivität von Bundestagsabgeordneten".
Doch bei genauem Hinsehen hat sich die Doktorandin schlicht ein Thema ausgesucht, mit dem sie es entspannt zum Doktor bringen kann. Die Fragestellung lautete, ob und inwieweit die Wertevorstellungen von CDU-Bundestagsabgeordneten mit denen der CDU-Mitglieder übereinstimmen. Da sie damals selbst CDU-Bundestagsabgeordnete war, dürfte es ihr nicht sonderlich schwergefallen sein, ihre Fraktionskollegen zu befragen. Und was die Befragung der CDU-Mitglieder angeht, hat sie einfach die CDU-Bundesgeschäftsstelle eingespannt. Deren Mitarbeiter haben für sie eine Stichprobe der Mitglieder gezogen und die Fragebögen verschickt. Die technische Auswertung der Fragebögen hat dann eine wissenschaftliche Hilfskraft ihres Doktorvaters Jürgen Falter übernommen - auf 400-Euro-Basis.
Unzulässig ist das nicht. Im Wissenschaftsjargon aber wird in solchen Fällen von einer klassischen "Typ-II-Arbeit" gesprochen. Im Gegensatz zur "Typ-I-Arbeit" geht es den Autoren nicht um die akademische Karriere. Sie wollen lediglich den Titel.
Der wenig bekannte Bundestagsabgeordnete Dieter Jasper ist wohl der dreistete unter den Titelträgern gewesen, die im Bundestag einen Platz haben. Gewesen, weil Jasper seinen Doktortitel inzwischen abgelegt hat. Genauer genommen hätte er ihn nie führen dürfen. Jasper, Direktmandatsträger im Wahlkreis Steinfurt III in Westfalen, hat sich seinen Titel einfach gekauft.
Es sei ihm nicht aufgefallen, naiv sei er gewesen, habe sich nichts dabei gedacht, als er 2004 an die berüchtigte Schweizer Titelmühle "Freie Universität Teufen" geriet. Fröhlich verwendete er den Titel im Bundestagswahlkampf 2009. Sogar eine Webseite gab es: "www.dr-dieter-jasper.de"
Sein Direktmandat gewann der falsche Doktor mit 2000 Stimmen Vorsprung vor seinem SPD-Kontrahenten. Abgelegt hat er den Titel erst, als er im Bundestag saß. Erst Pressenachfragen, wo denn sein Titel plötzlich hin sei, deckten die Sache auf. 5000 Euro Strafe musste er zahlen, wenig im Vergleich zu dem, was der Titel wohl gekostet hat. Experten schätzen, dass wenigstens 20.000 Euro für einen falschen Doktortitel hingelegt werden müssen. Rausgeschmissenes Geld. Der Wisch, den etwa die "Uni Teufen" als Doktor-Urkunde ausgibt, hat kaum den Gegenwert eines Schmierzettels. Im Bundestag sitzt Jasper immer noch. Er konnte sogar seinen Platz im Wirtschaftsauschuss behalten.
Bislang besteht kein Zweifel, dass Außenminister Guido Westerwelle seinen Doktortitel rechtmäßig erworben hat. Und doch lässt seine juristische Arbeit mit dem Titel "Das Parteienrecht und die politischen Jugendorganisationen" den Schluss zu, dass auch er es sich nicht allzu schwer machen wollte. Schließlich war Westerwelle selbst nicht nur Mitbegründer einer politischen Jugendorganisation, den "Jungen Liberalen", sondern auch von 1983 bis 1988 deren Bundesvorsitzender.
Dass der FDP-Chef nicht aus rein wissenschaftlicher Neugier heraus gehandelt hat, ist auch in Majid Sattars Westerwelle-Biographie ... und das bin ich! zu lesen. "So recht Lust zum Promovieren hat Westerwelle eigentlich nicht, doch hört er auf einen der ganz wenigen beruflichen Ratschläge seines Vaters", heißt es da. "Junge, mach den Doktor. Dann kannste noch so großen Unsinn reden - jeder wird dir glauben." Den Doktortitel erlangte Westerwelle 1994 an der Fernuniversität Hagen.
Zwar längst nicht mehr im Bundestag, doch als ehemaligem Bundeskanzler soll auch ihm ein Platz in dieser Reihe sicher sein. Wegen seiner Dissertation sah sich Kohl ein ums andere Mal dem Spott der Menschen ausgesetzt. Wie bei Westerwelle und Kristina Schröder scheint die wissenschaftliche Ehre nicht im Mittelpunkt seines Interesses gestanden zu haben. Titel seiner historischen Dissertation: "Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945".
Die Recherchen dürften ihm nicht schwergefallen sein. Kohl trat bereits 1946 noch als Schüler in die CDU ein. In seiner Heimatstadt Ludwigshafen gründete er 1947 die Junge Union mit und 1953 wurde er Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der CDU in Rheinland-Pfalz. Ein Jahr später schon war er stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Union im Land und noch ein Jahr später Mitglied des Landesvorstandes der CDU Rheinland-Pfalz. Zweifel bestehen auch, ob Kohl sich tatsächlich durch viele englischsprachige Fachliteratur gearbeitet hat, von der das Literaturverzeichnis der Dissertation kündet. Kohl war auch wegen seiner mangelnden Fremdsprachenkenntnisse immer wieder gerne Zielscheibe des politischen Kabaretts.