Diskussion über die Homo-Ehe:Merkel streicht den Konservatismus zusammen
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Abschaffung der Wehrpflicht, Atomausstieg und nun womöglich die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften: In der Ära Merkel verabschiedet sich die CDU von ihren konservativen Werten.
Von Antonie Rietzschel
Begeisterte Zustimmung sieht anders aus: "Ich persönlich tue mich damit sehr schwer", sagt Karl-Josef Laumann, der einflussreiche Chef der CDU-Fraktion in Nordrhein-Westfalen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warnen vor "Schnellschüssen", der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner vor einer Missachtung der Partei-Werte.
Seitdem am Wochenende bekannt wurde, dass die Unionsfraktion eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichstellen möchte, fühlt sich der konservative Flügel der Union sichtbar unwohl - und wohl auch etwas betrogen. Immerhin hatte die CDU noch beim Bundesparteitag im November eine Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgeschlossen.
Doch hinter dem aktuellen Konflikt steht auch ein Grundsatzstreit: Konservativ oder modern - in den vergangenen Jahren wurde innerhalb der Partei immer wieder darüber diskutiert. Bereits seit Längerem fordert der rechte Flügel der Union ein ausgeprägteres konservatives Profil. Erfolg hatte er damit nicht, im Gegenteil: Die CDU steht unter ihrer Vorsitzenden Angela Merkel so liberal da wie noch nie in ihrer Geschichte da. Der Versuch des "Berliner Kreises", einer Gruppe konservativer CDU-Politiker, gegen ihren Kurs zu rebellieren, scheiterte kläglich.
"Merkel hat den Mumm gehabt, der Partei bei rein traditionell aufrechterhaltenen Positionen eine Kurskorrektur zu verordnen", sagt der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Sie habe Mauern eingerissen, die unter dem Druck der gesellschaftlichen Entwicklung brüchig geworden seien. So hat sich die Partei in den vergangenen Jahren von Positionen verabschiedet, die lange als konservativ besetzt galten:
- Kurz vor Beginn ihres Parteitages im November 2011 einigte sich die Union auf einen gesetzlichen Mindestlohn. Um jedoch nicht zu sehr an SPD und Gewerkschaft zu klingen, wurde ein anderer Begriff geschaffen: Lohnuntergrenze Man wolle sich der "breiten Bewegung aus der Mitte der Partei" nicht länger entgegenstemmen, hieß es damals aus der Parteizentrale. Zuvor hatte die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft angekündigt sie werde auf dem CDU-Parteitag eine "tariforientierte Lohnuntergrenze" fordern. Dem schloss sich der CDU-Landesverband der CDU in Nordrhein-Westfalen an. Mittlerweile hat anscheinend auch die FDP ihre Totalblockade einer Lohnuntergrenze aufgegeben. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kündigte eine Einigung noch vor der Bundestagswahl an.
- Im Mai 2012 stellte Familienministerin Kristina Schröder einen Zehn-Punkte-Plan zur Beschleunigung des Krippenausbaus vor. Mit der Initiative reagierten Schröder und Merkel auf den Widerstand gegen das umstrittene Betreuungsgeld, für das vor allem die Schwesterpartei CSU kämpfte. Kurz zuvor hatten 23 CDU-Bundestagsabgeordnete angekündigt, gegen die neue Familienleistung stimmen zu wollen. Die Familienministerin erklärte das Jahr 2013 außerdem zum Jahr des Krippen-Ausbaus. Die schwarz-gelbe Regierung steht unter Druck: Am 1. August tritt der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz in Kraft.
- Nach der Katastrophe in Fukushima im März 2011 setzte Angela Merkel die von Schwarz-Gelb beschlossene Laufzeitverängerung von Atomkraftwerken für drei Monate aus. Das was in Japan passiert sei, sei ein Einschnitt für die Welt, sagte Merkel. Es war aber auch ein Einschnitt für die deutsche Energiepolitik: Auf einem Atom-Gipfel im Mai 2011 verhandelten FDP und CDU trotz Widerstand in den eigenen Reihen schließlich die Modalitäten eines Atomausstiegs. Schon einen Monat später war er beschlossene Sache: Der Bundestag stimmte zu, dass bis Ende 2022 alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden sollen.
- Im März 2011 beschloss der Bundestag die Aussetzung der Wehrpflicht. Zuvor war sie auf Bestreben des damaligen Bundesverteidungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg von neun auf sechs Monate verkürzt worden. Zuvor hatte sich Guttenberg lange gegen eine Abschaffung ausgesprochen.
Kinderkrippen, Berufsarmee, Atomausstieg: Die Merkel'sche Doktrin hat kaum noch Ähnlichkeit mit den Unionsstandpunkten von vor zehn Jahren. Mit der angedachten Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe überdenkt die Union nun ihr Familienbild so rigoros wie nie zuvor - und steht damit womöglich gesellschaftspolitisch bald näher an den skandinavischen Konservativen als an denen im Nachbarland Frankreich. Während die konservative Sammlungspartei 2009 in Schweden gegen die Abschaffung der Homo-Ehe stimmte, führte die UMP in Frankreich Protestmärsche gegen die "Ehe für alle" an.
Doch Merkels Kurs birgt auch Risiken - und hat Verfallsdatum, glaubt Politologe Patzelt: "Diese Streich- und Abbaupolitik geht solange gut, wie am rechten Rand nichts wegbricht und keine akzeptable Partei rechts der Union aufkommt."