Süddeutsche Zeitung

Details aus der Anklageschrift:Prediger Abu Walaa soll mit Anis Amri gesprochen haben

Lesezeit: 2 min

Von Lena Kampf und Andreas Spinrath, München

"Prediger ohne Gesicht" wurde Ahmad Abdelaziz A. genannt, weil er bei seinen Videopredigten stets von hinten gefilmt wurde. Mit seinen Botschaften, die von Tod und Sünde erzählten, erreichte er Tausende Köpfe, ohne je seinen eigenen zu zeigen. Ein Bild jedoch, das Ermittler auf seinem Mobiltelefon fanden, zeigt ihn im Irak, Funkgerät und Sturmgewehr Typ AK-47 in der Hand.

Der aus dem Irak stammende Ahmad Abdelaziz A., auch Abu Walaa genannt, wird von der Bundesanwaltschaft als Deutschland-Repräsentant des IS bezeichnet, er soll Kopf eines Netzwerks sein, das beste Verbindungen in den Irak und nach Syrien unterhielt.

Abu Walaa galt als enger Vertrauter Al-Adnanis

Nach seiner Festnahme im November hat die Karlsruher Behörde nun Anklage gegen den 33-Jährigen und zwei weitere Männer wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung erhoben. Die Männer sollen mehrere Jugendliche zum IS geschleust haben. Abu Walaa soll außerdem Vermögenswerte für Straftaten zur Verfügung gestellt und zu rechtswidrigen Taten aufgefordert haben. Der Prozess gegen das mutmaßliche Terrornetzwerk beginnt am 19. September vor dem Oberlandesgericht Celle.

In der mehr als 100 Seiten starken Anklageschrift, die die Süddeutsche Zeitung einsehen konnte, heißt es außerdem, dass A. auch selbst an Kampfhandlungen teilgenommen haben soll. Er habe laut Zeugenaussagen den "Jihad gegen die Ungläubigen auf dem Schlachtfeld" geführt, sei dann aber vom IS in Deutschland eingesetzt worden, um dort "Dawah", arabisch für Propaganda, für den IS zu machen.

Die letzte Reise soll ihn im Mai und Juni 2015 in den Irak geführt haben. Zudem sei er ein enger Vertrauensmann von Abu Mohammad al-Adnani gewesen, der bis zu seinem Tod als Chef des IS-Geheimdienstes und der Propagandaabteilung der Terrororganisation galt. Al-Adnani gilt als Stratege hinter den IS-Anschlägen in Europa.

Laut Anklageschrift sprach er 30 Minuten mit Anis Amri

Abu Walaa machte seinen Job in Deutschland offenbar sehr erfolgreich, er soll eine zentrale Rolle bei der Verbreitung radikal-islamischer Ideologie gehabt haben. Zu seinen Predigten in der Hildesheimer DIK-Moschee und in Moscheen in Berlin, Kassel und Frankfurt reisten Personen aus Spanien und Frankreich an. Laut Ermittlern hatte er eine hohe suggestive Wirkung auf gewaltbereite Personen, insbesondere Jugendliche. Weil er außerdem Videopredigten per App zur Verfügung stellte, attestiert ihm die Bundesanwaltschaft eine Omnipräsenz.

Abu Walaa sprach meist vor 100 bis 300 Zuhörern. Darunter mindestens drei, die später Attentate verübten. Ende März 2016 nahmen zwei der späteren Attentäter aus Essen an Abu Walaas "Osterseminar" teil, zwei Wochen später zündeten sie einen Sprengsatz in einem Sikh-Gebetshaus. Und auch der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, hat mehrmals an Abu Walaas Freitagsgebet teilgenommen. Er habe auch beim Mitangeklagten S. übernachtet. Einmal, so heißt es in der Anklageschrift, habe er 30 Minuten allein mit Abu Walaa gesprochen. Inhalt? Unbekannt.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2017
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