Süddeutsche Zeitung

Desinformation:Maßgeschneidert aus St. Petersburg

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Ein Bergarbeiter, Herr Trump und ein Plakat: Wie sich russische Trolle im US-Wahlkampf einmischten.

Von Hubert Wetzel

Die Trolle aus Russland bewiesen zumindest einen gewissen Sinn für Kunst. Für ihr gefälschtes Plakat benutzten sie ein berühmtes Bild, das der Fotograf Earl Dotter 1976 von dem Bergarbeiter Lee Hipshire gemacht hatte und das heute in der National Portrait Gallery in Washington hängt. Das Foto zeigt Hipshire nach einer Schicht im Kohlebergwerk, verschwitzt und dick mit schwarzem Staub bedeckt. "Wie viele Arbeiter in Pennsylvania haben wegen Obamas zerstörerischer Politik ihre Jobs verloren?", lautete die anklagende Botschaft unter dem Bild (). "Hilf Mr. Trump, es richtig zu machen!" Am 2. Oktober 2016 um 14.00 Uhr sollten die Bürger in Pittsburgh und Philadelphia auf die Straße gehen, so hieß es auf dem Plakat, um für den damaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu demonstrieren.

Nach allem, was man weiß, haben diese Demonstrationen nie stattgefunden. Doch das Plakat mit dem Aufruf, das im Herbst 2016 durchs Internet geisterte, wird im Mueller-Bericht als ein Beispiel genannt, wie Russland sich in die Präsidentenwahl eingemischt hat. Denn entworfen und verbreitet wurde es mitnichten von einer amerikanischen Organisation namens "Bergarbeiter für Trump", wie es darauf heißt, sondern von der russischen Internet Research Agency (IRA) mit Sitz in St. Petersburg. In dieser "Trollfarm" waren 2016 Hunderte Russen im Auftrag des Geheimdienstes damit beschäftigt, über erfundene Konten bei Facebook, Twitter und Instagram politische Botschaften in die USA zu verschicken. Sonderermittler Mueller hat wegen dieser Sabotageaktion 13 russische Staatsbürger sowie die IRA angeklagt.

Die russischen Trolle verfolgten zwei Ziele: Zwietracht zu säen und Trump zu helfen. Sie bedienten daher beide Seiten. Über Konten mit patriotisch klingenden Namen warnten sie zum Beispiel vor dem Einfluss radikaler Muslime in den USA. Auf anderen Konten riefen sie dann die amerikanischen Muslime auf, sich gegen rechte Hetzer zu wehren. Die Kampagne mit dem Kohlekumpel Hipshire war maßgeschneidert. Trump versprach bei seinen echten Auftritten immer wieder, er werde den Kohlebergbau retten. Da passten Demoaufrufe wie der auf dem Plakat gut.

Ob die russische Einmischung erfolgreich war, lässt sich schwer sagen. Denkbar ist es. In Pennsylvania etwa, wo das Hipshire-Foto verbreitet wurde, siegte Trump mit einen Vorsprung von nur 44 000 Stimmen - weniger als einem Prozentpunkt. Hipshire selbst, der 1987 gestorben ist, hätte Trump aber wohl nicht gewählt, sagte sein Sohn Ronnie der Washington Post. Der Bergmann sei immer ein überzeugter Demokrat gewesen.

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Quelle:
SZ vom 25.04.2019
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