Süddeutsche Zeitung

Der Weg nach Berlin:Allein gegen alle

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Schwieriger Podiumsauftritt neben Özdemir und Co.: Judith Skudelny von der FDP merkt, dass sie sich ein öffentliches Profil erst noch erarbeiten muss. Deshalb übt sie sich in der Kunst der Provokation.

Von Roman Deininger

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl 2013 sieben Menschen aus sieben Parteien auf ihrem Weg in die Politik - Fehler, Rückschläge und Niederlagen inklusive.

Judith Skudelny, 37, Juristin und FDP-Abgeordnete aus Baden-Württemberg, hat sich den gerade noch aussichtsreichen sechsten Platz der Landesliste gesichert. Nun trifft sie erstmals auf ihre Konkurrenz im Wahlkreis.

Seine Studenten interessierten sich sehr für Politik, beteuert der Vizerektor der Universität Hohenheim, und das wird sicher stimmen, sonst wäre die Aula ja jetzt nicht voll für die "Hohenheimer Elefantenrunde". Allerdings interessieren sich die meisten Studenten offenbar nicht so sehr für Politik, dass sie die Bundestagsabgeordnete Judith Skudelny kennen würden. Sie ist jedenfalls deutlich schneller auf dem Podium als Cem Özdemir, der Bundeschef der Grünen, der ständig Hände schütteln, ein paar Worte wechseln oder zumindest extrem verbindlich nicken muss.

Der Wahlkreis Stuttgart I gilt in diesem Jahr als der heißeste in Baden-Württemberg, als ganz großes Theater: Die Grünen stellen mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten im Südwesten und mit Fritz Kuhn den Stuttgarter Oberbürgermeister. Und jetzt soll Özdemir für sie auch noch das Direktmandat im Herzen des schwäbischen Bürgertums erobern. Gegen den CDU-Abgeordneten Stefan Kaufmann, einen modernen, schwulen Konservativen. Und gegen Ute Vogt, die vor einem guten Jahrzehnt mal die strahlende Hoffnungsträgerin der Landes-SPD war. Es dürfte knapp werden zwischen Özdemir und Kaufmann, fünf Prozentpunkte Vorsprung hatte der CDU-Mann 2009. Selbst Vogt spielt wohl nur eine Nebenrolle. Und welcher Part bleibt dann für Skudelny?

"Ich muss wohl auch plakativer werden"

Sie müsse sich das öffentliche Profil erst erarbeiten, das die anderen Kandidaten schon längst haben, so hat Skudelny ihre Aufgabe umrissen. In Schloss Hohenheim kann sie damit anfangen, bei der ersten Debatte der Wahlkreis-Bewerber. Zwei, drei Dutzend weitere solche Gelegenheiten werden folgen. Also, erste Frage: Warum geht bei der Bafög-Reform nichts voran? Skudelny, blaue Jeans, weiße Bluse, erklärt ausführlich die Reibereien zwischen Bund und Ländern, arg viel Information in arg wenig Zeit. Dann ist Özdemir dran, er wird erst mal feierlich: "Ich verdanke dem Bafög, dass ich studieren konnte." Er tippt sich gegen den Kopf: "Das, was da drin ist", müsse über den Bildungserfolg entscheiden, nicht Herkunft, nicht Wohlstand. Nach der Veranstaltung wird Skudelny sagen, dass sie durchaus noch lernen könne von einem wie Özdemir: "Ich muss wohl auch plakativer werden."

Özdemir und Kaufmann scheppern ein paar Mal aneinander, Vogt klappert nach Kräften mit. Irgendwann geht es ums Thema Mindestlohn. Die Linke-Kandidatin, auch da, ruft: "Das ist eine Frage der Menschenwürde!" Das finden - mehr oder weniger - auch die anderen Bewerber und sehr viele im Publikum. Skudelny sagt: "Ich bin entschieden dagegen." Sie erklärt und differenziert das dann ("Kompromiss Lohnuntergrenze"), aber sie hat ihre Rolle plötzlich gefunden: Eine gegen alle. Sie scheint das zu mögen, ein bisschen provozieren. Den Detailfragen, sagt Skudelny, "werden wir uns stellen müssen, wenn wir dann im Herbst die neue Regierung bilden". Die Leuten johlen, eine Studentin versichert sich bei ihrem Nachbarn, dass die Dame da vorn wirklich von der FDP ist.

Als es um Reiche geht, die vielleicht zu reich sind, um bayerische Fußballer und 200 000 Euro Prämie für einen Champions-League-Sieg, sagt Skudelny: "Die sollen so viel Geld kriegen, wie sie wollen. Ich glaube, dass das System gut ist." Einige klatschen im Saal, einige seufzen. Hinterher ist Judith Skudelny zufrieden: "Die FDP ist nun mal keine Partei, die über 50 Prozent kommt."

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Quelle:
SZ vom 01.06.2013
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