Süddeutsche Zeitung

Der BND und der Irak-Krieg:Eine Desinformations-Kampagne der Amerikaner?

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In der Affäre um Aktivitäten des BND vor und während des Irak-Krieges ist am Wochenende verstärkt der Verdacht aufgetaucht, die Informationen seien gezielt von US-Stellen gestreut worden, um die deutsche Außenpolitik zu diskreditieren.

Hans Leyendecker

"Da tapsen die Nachtigallen so laut, dass die Dachziegel klappern", erklärte der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) in einem Interview.

Er halte die Berichte für eine "Desinformation aus amerikanischen Quellen, mit denen man auf die Kritik von Bundeskanzlerin Merkel an Guantanamo reagiert", assistierte der frühere BND-Chef Hans-Georg Wieck.

Alle Nachrichtendienste haben das Spiel mit der Desinformation im Repertoire.

Von "Desinformazija" sprechen die Russen, von "active measures" die Amerikaner. Ziel der konspirativen Täuscher ist es, den Feind und - manchmal auch - den Freund zu diskreditieren oder unter Druck zu setzen.

Der Fall "Curveball"

Der SPD-Sicherheitspolitiker Dieter Wiefelspütz wies darauf hin, dass im Dezember die Washington Post über ein vertrauliches Gespräch zwischen dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily und dem ehemaligen US-Botschafter Daniel Coats berichtete.

Der Minister sei von dem Diplomaten über die angebliche Verschleppung des Deutschen Khaled al-Masri durch den CIA informiert worden, meldete das Blatt, und in Deutschland geriet nicht nur Schily unter Druck.

Zwei Tage nach der Veröffentlichung kam die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice nach Berlin und sprach dort mit Kanzlerin Angela Merkel auch über den Fall Masri.

Alles nur Zufall? Der Fall Bagdad und der BND liegt anders. Es gibt jedenfalls keinerlei Zusammenhang mit der Guantanamo-Kritik Merkels aus den Anfangstagen 2006.

Die Geschichte begann im Herbst vergangenen Jahres. Damals recherchierten der Geheimdienstexperte der Los Angeles Times, Bob Drogin, und der für deutsche TV-Sender arbeitende Journalist John Goetz den seltsamen Fall eines Exil-Irakers, der den BND Ende der neunziger Jahre über angebliche rollende Bio-Waffenlabore im Irak informiert hatte.

Obwohl der BND 2002 die US-Regierung darauf hinwies, dass sich seine Angaben nicht bestätigt hätten, wurde der Mann, dem die amerikanischen Dienste den Decknamen "Curveball" gaben, zum heimlichen Kronzeugen für die angeblichen Bio-Waffen des Saddam Hussein.

Später stellte sich heraus, dass "Curveball" ein Hochstapler und Fälscher gewesen war. Bei den Recherchen über das deutsch-amerikanische Missverständnis stießen Goetz, ein gebürtiger Amerikaner, und Drogin auf einen ehemaligen Pentagon-Mitarbeiter, der noch ganz anderes zu berichten wusste: Nach seiner Schilderung waren BND-Agenten während des Irak-Krieges dem amerikanischen Militärgeheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) sehr behilflich.

Er beschrieb Einzelheiten der Zusammenarbeit, die verifiziert werden konnten und sich als richtig erwiesen. Mitte November sprach Goetz dann mit einem hochrangigen deutschen Sicherheitsbeamten über "Curveball" und auch über die BND-DIA-Connection. Der Gesprächspartner bestätigte damals zwei Punkte: Der BND sei im Krieg in Bagdad vor Ort gewesen, es habe auch in Kriegszeiten eine Zusammenarbeit der Dienste gegeben.

Keinerlei Angaben machte er hingegen über die von der Pentagon-Quelle beschriebene angebliche Hilfsaktion des BND vor einem Bombardement der US-Air-Force am 7. April 2003 auf ein vermutetes Versteck von Saddam Hussein in Bagdad. Eine übliche Reaktion: Zu Operationen macht der BND in der Regel keine Angaben.

Am 20. November erschien in der Los Angeles Times eine drei Seiten füllende Geschichte von Goetz und Drogin: "How the US fell under the Spell of Curveball", aber die sehr spezielle BND-DIA-Kooperation wurde nicht erwähnt.

Die Recherchen zu diesem Punkt gingen danach weiter. Goetz informierte die Macher des TV-Magazins Panorama, für das er auch arbeitet, über den Verdacht, und die waren elektrisiert.

Als erster grob geplanter Sendetermin war Mitte Dezember vorgesehen, doch dann kam die Entführung der Susanne Osthoff im Irak dazwischen. "Damals gab es für uns keine Möglichkeit, einen Beitrag über den BND im Irak zu senden", sagt "Panorama"-Chef Stefan Wels.

Am 12. Januar 2006 brachten dann das Hamburger Fernsehmagazin und die Süddeutsche Zeitung, die inzwischen in die Recherchen eingestiegen war, die Geschichte. Kurzfristig lanciert jedenfalls war nichts.

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Quelle:
SZ vom 16.1.2006
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