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Demonstration in Köln:Erdoğan darf nicht zu Demonstranten in Deutschland sprechen

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Die Veranstalter der Pro-Erdoğan-Demonstration in Köln dürfen den türkischen Staatspräsidenten nicht live zuschalten. Das hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen. Auf der Demo hätte eine Rede Erdoğans aus der Türkei übertragen werden sollen, doch die Richter wiesen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einstimmig ab.

Eine Rolle spielten dabei formale Gründe: Die entsprechende Vollmacht der Rechtsvertreter der Veranstalter entspreche nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidungen der gerichtlichen Vorinstanzen Grundrechte der Demo-Veranstalter verletzt hätten, deshalb habe eine Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg. Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte zuvor erklärt, er wolle eine Zuschaltung Erdoğans unbedingt verhindern, "um zu vermeiden, dass es zu einer hochemotionalisierten Lage kommt".

Bis zu 30 000 Teilnehmer und 2700 Polizisten

Unterdessen bereitet sich die Polizei auf einen der größten Einsätze seit Langem vor: Die Kundgebung der Erdoğan-Unterstützer beginnt um 14 Uhr, die Veranstalter haben bis zu 30 000 Teilnehmer angemeldet. Insgesamt 2700 Polizisten sollen gewaltsame Auseinandersetzungen verhindern. Nach Angaben der Veranstalter kommen zu der Kundgebung nicht nur Anhänger Erdoğans, sondern auch Gegner. Denn das eigentliche Thema sei nicht Erdoğan, sondern der vereitelte Militärputsch. Das Motto lautet: "Ja zur Demokratie - Nein zum Staatsstreich".

Als Redner bei der Demo wird unter anderem der türkische Sportminister erwartet. Einen geplanten Auftritt des Außenministers habe er jedoch verhindern können, sagte Mathies. Deutsche Politiker haben die geplanten Auftritte türkischer Minister in Köln kritisiert. "Es kann nicht sein, dass unsere Parlamentarier die Bundeswehrtruppen in der Türkei nicht besuchen dürfen, aber Erdoğan seine Minister zur Demonstration nach Köln schicken will", sagte der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU) der Bild-Zeitung. FDP-Chef Christian Lindner forderte die Bundesregierung auf, "alle rechtlichen und diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Einreise dieser Politiker zu unterbinden".

Zeitgleich findet ein Demonstrationszug von Rechten durch die Innenstadt statt. Die Polizei hatte diesen Marsch untersagt, doch das Oberverwaltungsgericht in Münster hob das Verbot auf. Mitorganisator ist unter anderem die rechtsextremistische Splitterpartei Pro NRW. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen, doch die Richter sahen dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Darüber hinaus gibt es drei weitere Gegenkundgebungen. Eine davon richtet sich auch gegen den Aufzug der Rechtsextremisten. Die Polizei erwartet, dass dazu auch Autonome anreisen.

Erdoğan will den Geheimdienst unter seine Kontrolle bringen

In der Türkei gilt nach dem Putschversuch der Ausnahmezustand. Am Samstagabend kündigte Erdoğan an, den Geheimdienst MIT sowie alle militärischen Stabschefs direkt unter seine Kontrolle stellen zu wollen. Zugleich stellte er Pläne vor, alle Militärschulen des Landes zu schließen und durch eine nationale Militäruniversität zu ersetzen.

Nach offiziellen Angaben wurden seit dem gescheiterten Staatsstreich bislang 18 700 Menschen festgenommen; die meisten von ihnen, weil sie angeblich dem islamischen Prediger Fethullah Gülen nahestehen. Unter ihnen sind unter anderem Staatsbedienstete, Politiker, Wissenschaftler und Journalisten. Die türkische Führung macht den im US-Exil lebenden Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Gülen selbst bestreitet aber jede Verwicklung in die versuchte Machtübernahme durch das Militär.

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