Süddeutsche Zeitung

Demokratie:To-do-Liste für Regierende

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Experten und Politiker präsentieren 21 Ideen für die künftige Bundesregierung, die die Demokratie stärken könnten. Darunter: weniger Juristen in Behörden, ein Rat für Generationengerechtigkeit oder sogenannte Fuck-up-Nights.

Rezension von Robert Probst

Ist eigentlich gerade Aufbruchsstimmung in Deutschland? Im April vermeinte man einen kurzen Moment davon verspürt zu haben, als die Grünen ihre Kanzlerkandidatin vorstellten - die Euphorie ist allerdings bald wieder verflogen. Bei der Union spürte man nach dem Großduell eher wenig Begeisterung, und bei der SPD spürt man ja schon lange ziemlich wenig. Immerhin scheint es ja nun einen halbwegs coronafreien Sommer zu geben, und Bundestagswahlkampf soll auch noch kommen. Zeit also nach vorn zu blicken mit einer "Politikagenda für hier und jetzt".

Das Buch "Demokratieverstärker", herausgegeben von der Hertie-Stiftung, verspricht weniger eine weitere düstere Gesellschaftsanalyse mit allerlei Spaltungsszenarien und Transformationsängsten, als vielmehr eine Art To-do-Liste für Verantwortliche, namentlich die neue Bundesregierung. Der Charme der 21 Aufsätze besteht darin, dass sich die dargebotenen Ideen innerhalb eines Jahres konkret umsetzen lassen (zumindest sagen das die Autorinnen und Autoren).

Die Vorschläge kommen von Politikern und Experten, sie sind oft naheliegend, oft überraschend, hie und da auch recht theoretisch. Aber fast all diese kurzen Aufsätze lohnen die Lektüre; für ganz Eilige gibt es sogar noch jeweils eine Zusammenfassung auf weniger als einer Seite.

Ein Beispiel? Fuck-up-Nights für Politiker

Doch diese Häppchen haben es durchaus in sich, es beginnt bei elterngerechter Parlamentsarbeit und hört bei der enkelgerechten Reform der Marktwirtschaft noch lange nicht auf. Die einen fordern weniger Juristen in Behörden, die anderen mehr Wissenschaftler im Bundestag. Die einen wollen neue Gremien schaffen - etwa einen Rat für Generationengerechtigkeit, ein echtes Digitalministerium oder ein Beratungsgremium für bessere Gesetzgebung -, die anderen wollen die Menschen oder die Community besser einbinden in den Willensbildungsprozess.

Es sind sehr gute Tipps dabei, etwa der, wie man die Bundestagsabgeordneten endlich dazu bringen kann, eine Wahlrechtsreform zu beschließen, die den Namen auch verdient (die Lösung hat mit dem Haushaltsposten "Deutscher Bundestag" zu tun) oder die Einführung sogenannter Fuck-up-Nights, auf denen Menschen offen über ihr Scheitern berichten, auch für Politiker.

Die Autorinnen und Autoren, unter ihnen die Ökonomin Maja Göpel, der Psychologe Ahmad Mansour oder die Politiker Karl Lauterbach und Dorothee Bär, haben allesamt aus ihrer Perspektive ihre Ideen versammelt; sie sind teils weder niederschwellig noch leicht umzusetzen, oder gar kostenlos zu haben. Ein Gesamtbild entsteht auch nicht, eher ein Mosaik der Möglichkeiten. Aber die Wähler können nachlesen, wie wenigstens ein bisschen Aufbruchstimmung erzeugt werden könnte.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2021
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