Süddeutsche Zeitung

Corona-Epidemie:Gesundheitspolitik ist jetzt wichtiger als Wirtschaftspolitik

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Einige fordern, mit Steuersenkungen und Konjunkturhilfen müssten die Folgen der Coronavirus-Krise für die Wirtschaft eingedämmt werden. Doch das ist gar nicht nötig.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Messen werden abgesagt. In manchen Supermärkten gibt es kaum noch Dosensuppen. Die Finanzminister der sieben größten Volkswirtschaften stimmen sich per Telefonschalte ab und versichern öffentlich, die Lage im Griff zu haben, wie zu Zeiten der Finanzkrise. Aktienkurse fallen drastisch. Arbeitgeber schicken Mitarbeiter ins Home-Office. Das Coronavirus erfasst die Weltwirtschaft - und trifft auch deutsche Firmen. Einen Grund zur Panik gibt es hierzulande aber nicht. Und ebenso gibt es keinen Grund, dass der Staat nun massiv eingreift, um die Wirtschaft zu stützen.

Wird wegen des Erregers nun eine Dienstreise abgesagt, die schon geplant war, nervt das. Wenn die Hotelübernachtung bereits bezahlt war, kostet das Geld. Nerven und Geld zu verlieren, gehört aber zum unternehmerischen Risiko. Termine werden auch abgesagt, wenn sich der Geschäftspartner das Bein beim Skifahren gebrochen hat.

Viele rufen jetzt danach, dass der Staat etwas macht. Doch Deutschland braucht derzeit weder Steuersenkungen noch Konjunkturhilfen, um die Folgen der Infektionswelle einzudämmen. Häufig fordern die politischen Lager nun nur, was sie schon vor dem Coronavirus gefordert haben. Für die wirtschaftspolitische Diskussion wäre hier mehr Transparenz besser. Wer für Steuersenkungen ist, darf sich gerne dafür einsetzen und erklären, wofür der Staat dann weniger Geld ausgeben soll - aber bitte nicht das Virus als Anlass vorschieben. Das Gleiche gilt für Konjunkturprogramme. Wer dafür ist, das deutsche Wachstum mit Staatsgeld zu stützen, sollte nicht "Corona" rufen, sondern lieber vorrechnen, woher die Milliarden kommen können und wohin sie fließen sollen.

Liquiditätshilfen und Kurzarbeit haben sich bewährt

Hart trifft es deutsche Firmen, die von China abhängig sind. Denn die chinesische Wirtschaft lag wochenlang quasi brach. Viele Fabrikbänder standen still, erst langsam geht nun die Produktion wieder los. Unternehmen, die nach China exportieren, haben auf einen Schlag ihre Käufer verloren. Auf Zulieferungen aus China angewiesene Firmen bekommen nun auch Probleme, wegen der langen Wege aus Asien etwas zeitverzögert. Für beide Fälle ist Deutschland jedoch so gut aufgestellt, neue Maßnahmen sind nicht notwendig.

Weil die Wirtschaft in China Stück für Stück wieder hochfährt, verringern sich die Probleme der Firmen in ein paar Wochen voraussichtlich wieder. Kritisch ist nur die Zeit bis dahin. Eng kann es werden, wenn zwischendurch beispielsweise ein Kredit bedient werden muss. Hier kann die Staatsbank KfW einspringen und Bürgschaften oder Überbrückungskredite ausgeben, die Firmen können dann ihre Hausbank bedienen und zahlen dem Staat das Geld später zurück, wenn die Chinesen wieder kaufen und liefern. Fachleute nennen das Liquiditätshilfe. Um mit staatlicher Hilfe flüssig zu bleiben, sollten die Firmen nachweisen, dass wirklich der Corona-Ausbruch in China die Ursache ist. Das ist durch Absatzmärkte und Lieferketten gut zu überprüfen. Außerdem kennen die deutschen Arbeitgeber die Kurzarbeit. Sie ist ein mächtiges Mittel in schwierigen Zeiten, weil sie Arbeitsplätze sichert. Auch das ist eine Option für besonders betroffene Branchen.

Liquiditätshilfen und Kurzarbeit haben sich bewährt. Mehr braucht die deutsche Wirtschaft derzeit nicht. Gesundheitspolitik ist im Kampf gegen das Virus nun wichtiger als Wirtschaftspolitik.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2020
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