Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:Merkel will am Mittwoch über neue Regeln beraten

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Die Intensivbetten füllen sich wieder, doch zugleich gibt es drastischen Protest gegen Corona-Maßnahmen: Regierung und Opposition sorgen sich um die gesellschaftliche Tonlage in der Pandemie.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Am kommenden Mittwoch will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen in der Coronavirus-Pandemie beraten. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte den aktuellen Anstieg der täglichen Neuinfektionen "drastisch" und betonte, dass sich diese Zahl innerhalb einer Woche verdoppelt habe. Am Montag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 8685 positiv auf das Virus getestete Patienten, wobei dieser Wert erfahrungsgemäß nach Wochenenden etwas niedriger liegt als gewöhnlich. Gut 1300 Corona-Patienten werden Seibert zufolge derzeit auf Intensivstationen behandelt, etwa die Hälfte von ihnen werde künstlich beatmet. Auch hier seien die Zahlen in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen.

Am Montag hatte die Kanzlerin auch gemeinsam mit den zuständigen Fachministern über die künftige Coronapolitik beraten. Hier sei etwa die Frage der Intensivkapazitäten diskutiert worden, das Innenministerium und das Gesundheitsministerium hätten dazu ein Konzept vorgelegt. Während der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, die Zahl der Neuinfektionen "besorgniserregend" nannte und sagte, es sei davon auszugehen, dass in besonders belasteten Regionen und Krankenhäusern andere stationäre Eingriffe wieder verschoben werden müssten, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums allerdings, es gebe bislang genügend Kapazitäten. Über die Zukunft könne sie keine Aussage treffen.

Die Bundesregierung arbeitet an einer Impfstrategie

RKI-Präsident Lothar Wieler nannte bei einem Vortrag auf dem World Health Summit die Krankenhäuser als entscheidende Orte für Prävention und Kontrolle des Virus. "Jede Pandemie wird von den Krankenhäusern getrieben", sagte er mit Blick auf die ärmsten Länder der Erde. Hier sei es entscheidend, auf eine gute Hygiene zu achten.

Die Bundesregierung bereitet sich unterdessen auch auf den Zeitpunkt vor, an dem ein Impfstoff gegen das Coronavirus zugelassen sein könnte. Man arbeite an einer Impfstrategie. Die Ständige Impfkommission, der Ethikrat und Wissenschaftler der Leopoldina-Akademie entwickelten im Augenblick eine Empfehlung, in welcher Reihenfolge welche Bevölkerungsgruppen geimpft werden sollten - zumal davon auszugehen ist, dass es nicht von Anfang an genügend Impfstoffe für alle gibt.

Etwa 70 Prozent der Deutschen würden sich laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gegen das Coronavirus impfen lassen. Dies ergebe sich aus einer Befragung im Juni und Juli, hieß es. Rund die Hälfte wäre auch für die Einführung einer Impfpflicht. Allerdings rissen am Wochenende auch die Proteste gegen Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht ab. Neben Demonstrationen war es zu einem Brandanschlag auf ein Gebäude des Robert-Koch-Instituts gekommen. Hier ermittelt nun der polizeiliche Staatsschutz, bislang sind keine Tatverdächtigen bekannt. In der Nacht zum Sonntag hatten Unbekannte Brandsätze gegen die Fassade geworfen, verletzt wurde niemand.

Eine Schaufensterpuppe am Galgen

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld bewertet derzeit ebenfalls die strafrechtliche Relevanz einer Schaufensterpuppe mit dem Pappschild "Covid-Presse", die am Wochenende in Minden an einem Galgenstrick von einer Fußgängerbrücke hing. Das Foto war in den sozialen Medien verbreitet worden. Regierungssprecher Seibert kommentierte beide Vorfälle und sagte: "Wir müssen insgesamt aufpassen in dieser Pandemie, die für alle eine Belastung ist, dass wir nicht dazu kommen, Gruppen, zum Beispiel Wissenschaftler oder die Presse, zu verhöhnen". Das Bild der Puppe sei "widerwärtig und zeigt ein Denken, dem wir uns alle gemeinsam entgegenstellen müssen". Auch Grünen-Chef Robert Habeck äußerte Sorge über den gesellschaftlichen Konsens in der Corona-Krise. "Wenn es etwas gibt, was mich besorgt, dann ist es das Sich-Widersprechen, der Ton der Gereiztheit", sagte er. Man müsse bundeseinheitliche Verabredungen treffen.

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