Süddeutsche Zeitung

Chodorkowskij-Prozess:Russische Replik

Die Kritik aus dem Westen an der Verurteilung von Ex-Oligarch Michail Chodorkowskij war eindeutig. Das lässt sich die russische Regierung nicht gefallen - und keift zurück.

Die Kritik aus dem Westen kam prompt und war eindeutig. Das Weiße Haus zeigte sich "sehr besorgt" über die Verurteilung von Michail Chodorkowskij, die russische Justiz übe eine "offenbar selektive Anwendung des Rechts" aus. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hält die Umstände des Verfahrens für "äußerst bedenklich" und erkennt einen "Rückschritt auf dem Weg zur Modernisierung des Landes".

Die Replik aus Moskau ließ etwas auf sich warten, aber an Eindeutigkeit nichts vermissen. Russland wirft den USA und den europäischen Staaten vor, den Ausgang des Prozesses beeinflussen zu wollen. "Versuche, Druck auf das Verfahren auszuüben, sind nicht akzeptabel", sagte ein Sprecher des russischen Außenministeriums. Der Westen solle sich um seine eigenen Angelegenheit kümmern. Vorwürfe, das Verfahren sei ein Beispiel für Willkürjustiz, entbehrten jeder Grundlage.

Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen setzte Richter Wiktor Danilkin unterdessen die Verlesung der mehr als tausend Seiten starken Urteilsbegründung fort. Am Montag hatte er den früheren Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos und dessen mitangeklagten Ex-Geschäftspartner Platon Lebedew bereits wegen Unterschlagung und Geldwäsche schuldig gesprochen. Das Strafmaß wird der Richter nach Einschätzung von Beobachtern an Silvester verkünden.

Die Staatsanwaltschaft hat sechs weitere Jahre Haft für Chodorkowski gefordert. Der 47-Jährige sitzt derzeit eine achtjährige Strafe wegen Betrugs und Steuerhinterziehung ab, die im kommenden Jahr endet. Der Ex-Chef des inzwischen zerschlagenen Öl-Konzerns Yukos soll zwischen 1998 bis 2003 Öl im Wert von 27 Milliarden Dollar gestohlen haben.

Vor dem Gerichtsgebäude kam es erneut zu Protesten von Regierungsgegnern. Mindestens zwei Menschen wurden festgenommen, wie die Agentur Interfax meldete.

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Reuters/woja
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