Süddeutsche Zeitung

China:Geostrategische Männerfreunde

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Peking und Moskau loben einander. Vor allem eint sie aber das Problem USA.

Es fehlen nur noch wenige Schrauben, und dann ist sie fertig, die neue Autobahnbrücke über den Amur. In China wird der 2800 Kilometer lange Grenzstrom zwischen dem Land und Russland "Fluss des Schwarzen Drachens" genannt. Es ist sicher kein Zufall, dass die Brücke pünktlich zum Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping diese Woche in Russland fertig geworden ist. Die beiden Staatschefs feiern das 70-jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen. Was wäre da symbolträchtiger als eine neue gemeinsame Grenzbrücke? Der Bau ist Teil der Seidenstraßen-Initiative, dem weltweiten Investitionsprogramm Chinas, und soll den Handel in der Region ankurbeln. 1,4 Millionen Fahrzeuge könnten bald pro Jahr über die neue Straße rollen.

Aus chinesischer Sicht war das Verhältnis zwischen Peking und Moskau nie besser. Präsident Xi sprach gegenüber russischen Medien von einer "tiefen Freundschaft" zwischen ihm und dem russischen Präsidenten. Auch Putin setzt auf die Beziehungen zum östlichen Partner. Es ist eine geopolitische Männerfreundschaft, die beide verbindet. Sie haben sich seit 2013 schon 28-mal getroffen - zuletzt vor sechs Wochen in Peking, als nächstes in drei Wochen beim Gipfel der großen Wirtschaftsmächte (G 20) im japanischen Osaka. Die Gemeinsamkeiten überwiegen: Beide sehen in den USA ihren Hauptgegner, wollen ihren globalen Einfluss ausweiten, teilen einen scheinbar unersättlichen Machthunger und pflegen ähnliche autokratische Systeme daheim.

Beide wollten auch kein förmliches Bündnis, sondern eher die wirtschaftliche Kooperation und gemeinsame Projekte voranbringen. Bei dem Besuch von Xi Jinping werden zwei gemeinsame Erklärungen über die bilateralen Beziehungen und globale strategische Stabilität unterzeichnet - außerdem etwa 30 Kooperationsvereinbarungen in Handel, Investment und Energie.

Der Handel zwischen beiden Ländern hat um 24 Prozent auf nunmehr 108 Milliarden Dollar zugelegt, jubiliert die staatliche China Daily in ihrer Titelgeschichte am Donnerstag. Dabei ist Russland eindeutig der "Juniorpartner", weil Chinas Wirtschaft achtmal größer ist. Während Russland vor allem Rohstoffe wie Energie, Holz oder auch Rüstungsgüter liefert, verkauft China Maschinen, Autos, Elektrogeräte und andere Verbraucherprodukte. Nur 1,9 Prozent der Exporte Chinas gehen nach Russland, umgekehrt sind es 15 Prozent. Seit 2010 ist China nicht nur für Russland größter Handelspartner.

Das Verhältnis dürfte noch enger werden, während sich ihre Interessen und empfundenen Bedrohungen überlappten - besonders gegenüber den USA und ihrem Unilateralismus oder westlichen Werten wie Demokratie und Menschenrechte. Es wird schon viel über eine "strategische Allianz" oder eine "Peking-Moskau-Achse" spekuliert. Eine solche Koalition könnte eine große Herausforderung wie einst der sowjetisch-chinesische Block darstellen - diesmal unter chinesischer Führung. Aber nicht immer ziehen beide Länder an einem Strang, was sie nur nicht offen austragen. So hat China die russische Annexion der Krim nicht anerkannt. Und Russland unterstützt auch die Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer nicht. Zudem liefert Russland weiter Waffen an Chinas Rivalen Indien und Vietnam.

Im Handelskrieg mit den USA steht Russland indes an der Seite Chinas. Ohne diplomatische Rücksicht gegenüber den USA macht Chinas Vizeaußenminister Zhang Hanhui deutlich, dass es besondere Zeiten seien und beide Länder Seite an Seite gegenüber "den Herausforderungen von außen" stehen. "Absichtlich Handelsstreitigkeiten zu provozieren, ist wirtschaftlicher Terrorismus und wirtschaftliche Vormachtpolitik", sagte er. Ähnlich äußerten sich Putin und Xi bei ihrem Treffen. Von einer "beispiellosen Freundschaft" sprechen beide. Mit dem Besuch der chinesischen Delegation mit 1000 Teilnehmern kann der Kremlchef auch überspielen, dass er diesmal nicht zum Weltkriegsgedenken am 75. Jahrestag der Truppenlandung in der Normandie eingeladen ist.

Das Bündnis beobachten die USA mit Argwohn: "China und Russland sind mehr auf einer Linie als zu irgendeinem Moment seit Mitte der 50er-Jahre", warnte der US-Geheimdienstkoordinator Dan Coats in seinem Jahresbericht.

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SZ vom 07.06.2019 / LDE, DPA
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