Süddeutsche Zeitung

CFA-Franc:Symbol der Bevormundung

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Italiens Vizepremier hat Frankreich für seinen Umgang mit Ex-Kolonien kritisiert.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Im Jahr 2017 zündete der französischer Aktivist Kémi Séba in der senegalesischen Hauptstadt Dakar öffentlich eine 5000-CFA-Franc-Note an. Die Aufregung war groß in Senegal, einerseits, weil man in einem so armen Land kein Geld verbrennt - der Schein hatte immerhin einen Wert von sechs Euro. Vor allem aber weil Séba gleich festgenommen und später des Landes verwiesen wurde. Er hatte mit seiner Aktion eine Diskussion angestoßen, die viele west- und zentralafrikanische Regierungen nicht mögen: jene über die Zukunft des CFA-Franc, der letzten noch existierenden kolonialen Währung.

In den folgenden Monaten gab es in vielen Staaten Demonstrationen gegen die fortdauernde französische Dominanz, Séba wurde vom Fernsehsender Afrinews zur Person des Jahres 2108 gewählt. Danach war die Diskussion über den CFA-Franc etwas abgeklungen, bis der stellvertretende italienische Ministerpräsident Luigi Di Maio am Montag eine ziemliche Breitseite gegen Frankreich abfeuerte. Er warf den Nachbarn vor, seine ehemaligen Kolonien in Afrika weiter als solche zu behandeln. Di Maio sagte: Dadurch, dass Frankreich "für 14 Staaten das Geld druckt, verhindert es Entwicklung und trägt zum Zustrom von Flüchtlingen bei". Die französische Europaministerin Nathalie Loiseau nannte die Äußerungen "inakzeptabel und haltlos" und bestellte die italienische Botschafterin ein. In Afrika hingegen gab es durchaus Zustimmung für Di Maio, zumindest was den CFA-Franc betraf, die von der Bevölkerung meist ungeliebte Währung der ehemaligen Kolonialmacht.

Frankreich hatte in seinen Kolonien schon früh Banknoten gedruckt, 1945 wurden die Währungen zum CFA-Franc vereinheitlicht. CFA stand anfangs für "Colonies Françaises d'Afrique", heute steht die Abkürzung für "Afrikanische Finanz-Gemeinschaft". Nach der Unabhängigkeit übernahmen sie 14 Länder wie die Elfenbeinküste oder Mali; es gibt einen westafrikanischen Block mit acht und einen zentralafrikanischen mit sechs Ländern. Dort wird seit Jahren immer wieder darüber diskutiert, ob die Gemeinschaftswährung ein koloniales Überbleibsel ist, das die Wirtschaft hemmt - oder ein ungeliebter, aber notwendiger Anker der Stabilität.

Letztlich wird die Währungspolitik von 14 Prozent der afrikanischen Bevölkerung in Europa gemacht

Der CFA-Franc ist über einen festen Wechselkurs an den Euro gebunden, für einen Euro gibt es 656 CFA-Franc. Die Hälfte der Währungsreserven aller Mitgliedstaaten muss bei der Französischen Nationalbank hinterlegt werden. Bevor in Europa der Euro eingeführt wurde, konnte Frankreich bei allem, was den CFA-Franc angeht, relativ frei walten und schalten. Auch heute hat Paris weitgehende Autonomie, muss die Europäische Zentralbank aber zumindest über Veränderungen informieren. Letztlich wird die Geldpolitik für 14 Prozent der afrikanischen Bevölkerung also in Europa gemacht.

Der senegalesische Ökonom Ndongo Samba Sylla wirft Frankreich vor, durch den CFA-Franc eine Art "monetären Imperialismus" auszuüben. Sein Kollege Demba Moussa Dembélé zählt in seinem Buch über die Geschichte des CFA-Franc dessen Nachteile auf: Die Anbindung an den Euro sei vor allem ein Vorteil für die korrupten Eliten und Großkonzerne in Europa, die so ihr Geld besser außer Landes bringen können. Die strikte Geldpolitik führe dazu, dass es für normale Afrikaner kaum möglich sei, einen Kredit zu bekommen. Seit der Koppelung an den Euro hat das Durchschnittsgehalt der Menschen in der Franc-Zone nur um 1,5 Prozent zugenommen, im Rest Afrikas waren es 2,5 Prozent.

Andererseits sind solche Statistiken nur bedingt aussagekräftig, zu unterschiedlich ist die Wirtschaftskraft der 14 CFA-Franc-Länder. Während die Elfenbeinküste boomt, gibt es in Mali kaum wirtschaftliche Entwicklung. Kritiker wie Dembélé sagen, die Einheitswährung lasse keine Geldpolitik zu, die auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten zugeschnitten sei. Der Franc hat bisher auch nicht viel zur Entstehung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes beigetragen. Der zentralafrikanische Block exportiert mehr nach Frankreich als in die anderen Mitgliedstaaten.

Auf der anderen Seite hat der CFA-Franc geholfen, die Inflation gering zu halten, was vielen Nachbarstaaten nicht gelungen ist. Die durchschnittliche jährliche Inflation im CFA-Land Elfenbeinküste lag in den vergangenen 50 Jahren bei sechs Prozent, im Nachbarland Ghana, das nicht zur Währungsunion gehört, bei 29 Prozent.

Der CFA-Franc ist für viele Afrikaner aber nicht nur eine Währung, sondern das Symbol fortwährender Bevormundung. Er steht für das Kolonialverhältnis zu Frankreich, das nie wirklich geendet hat. Nach der Unabhängigkeit 1960 entstand das System der sogenannten "Françafrique", das der frühere Präsident Gabuns, Omar Bongo, einmal so beschrieb: "Gabun ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Fahrer. Frankreich ohne Gabun ist wie ein Auto ohne Benzin."

In Wahrheit war "Françafrique" ein verfilztes System, mit dem sich die Eliten Frankreichs und der ehemaligen Kolonien gegenseitig übervorteilten. Im Falle Gabuns erkannte Frankreich jeden noch so gefälschten Wahlsieg der Herrscherfamilie an. Im Gegenzug gewährten die Bongos dem französischen staatlichen Erdölkonzern Elf großzügige Förderlizenzen, auch Wahlkampfspenden sollen geflossen sein.

Die Kritik des Italieners Di Maio kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Präsident Emmanuel Macron versucht, das System der Françafrique zu beenden - so glaubhaft wie kaum einer seiner Vorgänger.

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SZ vom 24.01.2019
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