Süddeutsche Zeitung

Burundi:Rätselhafter Tod des Präsidenten

Lesezeit: 2 min

Pierre Nkurunziza stirbt überraschend, die Regierung des ostafrikanischen Landes spricht von Herzversagen. Doch das Land spekuliert über einen Mord - oder eine Covid-19-Erkrankung.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Für einen Tod durch Herzversagen war Pierre Nkurunziza eigentlich noch ein bisschen jung. Doch wie seine Regierung am Dienstag mitteilte, ist Burundis Präsident mit nur 55 Jahren aus genau diesem Grund am Montag verstorben. Nkurunziza war auch recht jung für einen Präsidenten, er war aber noch viel mehr: Fußballspieler, Gründer und Chef des Vereins "Haleluya FC", zu dem auch ein Chor gehörte, der vor, während und nach den Spielen Lobgesänge auf den Präsidenten und Topspieler sang. Nkurunzizas Club gehörte zu den erfolgreichsten des Landes, was auch daran lag, dass Gegenspieler, die ihm zu nahe kamen, ins Gefängnis geworfen wurden. So hielt es der Präsident auf dem Platz und auch in der Politik, wo seine Gegner verschwanden und teils tot wieder auftauchten. Andere blieben verschollen, wohl in Massengräbern verscharrt.

Jetzt ist Nkurunziza selbst gestorben, und nicht wenige in Burundi gehen davon aus, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann - weil es in seiner Amtszeit selten mit rechten Dingen zuging. Im Jahr 2014 verbot Nkurunziza etwa das Joggen in der Hauptstadt, weil das womöglich konterrevolutionär sei, ein Jahr später ließ er sich zum dritten Mal zum Präsidenten wählen, obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten erlaubte. Schulkinder, die auf die Fotos des Präsidenten eine Clownnase malten, kamen ins Gefängnis. Manchmal wirkte es so, als wolle er alle Klischees über Präsidenten von Bananenrepubliken übererfüllen. Er hat Hilfsorganisationen aus dem Land geworfen, zuletzt auch die WHO, weil Nkurunziza nicht an die Pandemie glaubte.

Nun ist er ihr womöglich selbst zum Opfer gefallen, auch mehrere Familienmitglieder sollen infiziert sein, darunter seine Frau, melden burundische Radiosender, die im Ausland arbeiten. Vor wenigen Wochen erst wurde gewählt in Burundi, wurden Wahlkampfveranstaltungen mit Zehntausenden Menschen durchgeführt. Gegen den Rat aller Experten, die eine rasante Verbreitung des Virus fürchteten.

Stand er der neuen Machtelite im Weg?

Manche Burunder können sich aber auch andere Gründe für den Tod des Präsidenten vorstellen. Nkurunziza war selbst nicht mehr zur Wahl angetreten, wollte die Macht aber nicht völlig abgeben, sondern weiter über den Dingen schweben. Als selbsternannter "Ewiger oberster Führer" stand er der neuen Machtelite im Weg. Vielleicht - vielleicht aber auch nicht. In Burundi legt die Herrscherclique keinen Wert auf die historische Wahrheit.

Die besteht auch darin, dass Tausende ins Ausland flüchteten in den 15 Jahren von Nkurunzizas Herrschaft. Er war nach dem Ende des Bürgerkrieges zwischen Hutu und Tutsi an die Macht gekommen. Zwar gelang es, dass die beiden Volksgruppen nun einigermaßen in Frieden leben. Dennoch prägt der Krieg weiter den Staat, die meisten Parteien sind aus Rebellengruppen hervorgegangen. Anders als im benachbarten Ruanda, das sich nach dem Genozid an den Tutsi zu einem Land wandelte, das zwar autoritär, aber mit einer Vision der Modernisierung regiert wird, entwickelt sich Burundi eher zurück.

Die Regierung hat nun erst einmal Staatstrauer angeordnet. Bei vielen Burundern dürfte sich die jedoch in Grenzen halten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4932552
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.