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Bundesverfassungsgericht:Wahlrecht für betreute Menschen muss neu geregelt werden

Menschen, die auf gerichtlich bestellte Betreuung angewiesen sind, dürfen nicht pauschal von Wahlen ausgeschlossen werden. Das gilt auch für Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Das Wahlrecht muss also neu geregelt werden, heißt es in einem Beschluss, den das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag veröffentlicht hat.

Die Vorgaben im Bundeswahlgesetz verstoßen den Richtern zufolge gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.

Das Gesetz schließt unter anderem Menschen vom Wahlrecht aus, für die ein Betreuer "in allen Angelegenheiten" bestellt ist. Für die Karlsruher Richter ist dieser "von Zufälligkeiten abhängige Umstand" des Betreutwerdens kein sinnvolles Kriterium, wie sie in einer Mitteilung ausführen. Ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht könne zwar verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn eine Personengruppe nicht ausreichend an der Kommunikation zwischen Volk und Staatsorganen teilnehmen könne. Doch die Regelungen im Bundeswahlgesetz genügten nicht den "Anforderungen an gesetzliche Typisierungen", weil der Kreis der Betroffenen "ohne hinreichenden sachlichen Grund in gleichheitswidriger Weise" bestimmt werde.

Acht Betroffene hatte Beschwerde gegen ihren Ausschluss von der Bundestagswahl 2013 eingelegt. Nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts waren bei der Wahl 81 220 Vollbetreute betroffen.

"Ich freue mich sehr über diese klare Entscheidung", teilte der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel mit. Bei der anstehenden Europawahl am 26. Mai dürfe es diese Wahlausschlüsse nicht mehr geben. Er forderte Union und SPD auf, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf eine Änderung des Wahlrechts in diesem Punkt geeinigt.

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