Süddeutsche Zeitung

Bundessozialgericht:Nicht auf dem Rücken der Schüler

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Für kostenpflichtige Schulbücher muss künftig das Jobcenter zahlen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Wenn Schüler für ihre Schulbücher selbst zahlen müssen, weil in ihrem Bundesland keine Lernmittelfreiheit besteht, muss im Fall von Hartz-IV-Familien das Jobcenter einspringen. Das hat das Bundessozialgericht in Kassel am Mittwoch entschieden. Die Kosten für Schulbücher seien zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst - wenn keine Lernmittelfreiheit bestehe aber nicht in der richtigen Höhe, teilte das Gericht nach der Urteilsverkündung mit. Hintergrund ist, dass die Hartz-IV-Sätze auf einer bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe basieren. Ausnahmen, wie etwa die fehlende Lernmittelfreiheit, kommen in dieser Erhebung naturgemäß nicht zum Tragen. Deshalb seien die Ergebnisse der Stichprobe auf Schüler, für die - anders als in den meisten Bundesländern - keine Lernmittelfreiheit gelte, auch nicht übertragbar.

Verhandelt wurden zwei Fälle aus Niedersachsen. Beide Klägerinnen bezogen mit ihren Familien Hartz IV und Leistungen aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket, das den Bildungsbedarf von Kindern decken soll. Darüber hinaus aber hatten beide zu Beginn der elften Klasse bei ihren jeweiligen Jobcentern zusätzliche Mittel für Schulbücher beantragt, die sie selbst bezahlen mussten - in Niedersachsen besteht in der Oberstufe keine Lernmittelfreiheit. In dem einen Fall ging es um 180 Euro, im anderen um 200. Die Jobcenter lehnten die Anträge ab, das Landessozialgericht aber entschied zugunsten der Klägerinnen, woraufhin die Jobcenter vors Bundessozialgericht zogen.

Das Bundessozialministerium vertrat bislang den Standpunkt, dass Schulbücher über den Regelbedarf abgedeckt seien. Sie würden "bei der Ermittlung der Hartz-IV-Sätze berücksichtigt", sagte eine Sprecherin von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) im Vorfeld der Verhandlung. Zudem können die Jobcenter nach Darstellung des Ministeriums auch Darlehen für unregelmäßig anfallende Ausgaben gewähren. Der Rückzahlungsanspruch könne "gegebenenfalls erlassen werden".

Das Bundessozialgericht aber hat entschieden, dass ein Darlehen keine Option ist. Vielmehr müssten die Jobcenter die Schulbuchkosten als sogenannten Härtefall-Mehrbedarf anerkennen. Finanzierungskonflikte zwischen dem Bund und den für Bildung zuständigen Ländern dürften nicht "auf dem Rücken der Schüler" ausgetragen werden.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2019
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