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Bundespräsidentenwahl:Was der Wahlausgang in Österreich zeigt

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Analyse von Oliver Das Gupta, Wien

Der Präsident kann schwer heilen

Schon lange geht ein Riss durch die österreichische Gesellschaft. Der hochemotionale Bundespräsidentenwahlkampf hat diese Tendenzen noch verstärkt. Als gewähltes Staatsoberhaupt ist es Alexander Van der Bellens Aufgabe, diese Spaltung zu kitten. Er selbst hat schon am Wahlabend gesagt, er wolle "Gräben zuschütten."

Doch gerade Van der Bellen wird es schwer haben, als Heiler zu wirken. Die ohnehin große Abneigung der FPÖ-Anhänger gegen den Grünen ist in den letzten Wochen noch einmal gestiegen. Neben der politischen Ausrichtung sorgt vor allem die FPÖ-Spitze dafür, dass das giftige Klima in der österreichischen Innenpolitik nicht besser wird. Die von Parteichef Heinz-Christian Strache geschürten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Wahlausganges delegitimieren den neuen Präsidenten bei den Hofer-Fans.

Pro-Europa und "Hauptsache nicht FPÖ"

Die rot-schwarze Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren von der FPÖ treiben lassen. Immer wieder hat Rot-Schwarz Forderungen der Rechtspopulisten übernommen - und doch an Zustimmung in der Bevölkerung verloren.

Gerade in der Flüchtlingspolitik ist Wien unter dem Anfang Mai zurückgetretenen Bundeskanzler Werner Faymann Zick-Zack gefahren, zuletzt nicht gerade europafreundlich. Alexander Van der Bellen hingegen hat sich stets klar positioniert, auch bei mutmaßlich unpopulären Themen wie Flüchtlingen und Europa.

Der Wahlausgang zeigt: Die Mehrheit der Österreicher ist weder europafeindlich noch ausländerfeindlich eingestellt. Und die meisten Bürger des Landes belohnten eine pro-europäische Linie. Die Grünen sollten sich trotzdem nicht zu viel auf Van der Bellens Sieg einbilden: Viele Bürger haben auch vor allem deshalb für ihn gestimmt haben, um einen FPÖ-Präsidenten zu verhindern.

Hofer-Bonus und Strache-Malus

Die Kampagne von Norbert Hofer ist trotz der Niederlage ein beachtlicher persönlicher Erfolg. Viele Österreicher kannten den Vizeparteichef vor seiner Kandidatur gar nicht, in der FPÖ ist alles auf Parteiobmann Heinz-Christian Strache zugeschnitten. Hofers Fast-Präsidentschaft zeigt, wie weit er über die Anhängerschaft seiner Partei hinaus Wähler gewinnen konnte.

Für ihn spricht sein Auftreten: Er wirkt umgänglich und wird als weit weniger radikal als Strache wahrgenommen, der sich in seiner Jugend in der Neonazi-Szene bewegte. Dass sein Stellvertreter Hofer besser ankommt als er selbst, kann Strache nicht gefallen. Er kann ihm sogar gefährlich werden. Sollten Wahlerfolge ausbleiben oder Umfragewerte sinken, kann sich schnell die Führungsfrage stellen. Denn nun gibt es eine logische Alternative zu Strache.

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