Süddeutsche Zeitung

Bürgerkrieg in Syrien:Die Hölle von Jarmuk

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Die Berichte über das Leid in einem umkämpften Palästinenserlager bei Damaskus sind kaum zu ertragen. Der Fall offenbart die zynische Taktik des Assad-Regimes.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Es gibt kaum Worte, um zu beschreiben, was sich am Rand von Damaskus im palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk abspielt. Von einem Angriff auf die Menschlichkeit sprechen UN-Helfer, von Kindern, die aus Löchern in der Straße Wasser schöpfen, um zu überleben.

18 000 Menschen sind gefangen in dieser Hölle auf Erden, unter ihnen 3500 Kinder. Viele müssen um ihr Leben fürchten, und das nicht erst seit die Dschihadisten des sogenannten Islamischen Staates Anfang April in die weitgehend zu Ruinen zerbombte Siedlung eingerückt sind. Das Regime von Baschar al-Assad belagert sie seit 2012 und versucht - ohne Rücksicht auf die verbliebenen Zivilisten - die Aufständischen, Kämpfer der gemäßigten Freien Syrischen Armee und palästinensischer Organisationen, auszuhungern.

Es ist zu befürchten, dass die Appelle der Helfer ungehört verhallen

Die Menschlichkeit gebietet es, den Schwächsten der Schwachen zu helfen, ihnen wenigstens Nahrung, Trinkwasser und Medikamente zukommen zu lassen. Man muss doch irgendetwas tun können, sagt der Verstand, wenn man Bilder aus Jarmuk sieht, die Leidensgeschichten der Menschen hört, denen die Flucht gelungen ist. Doch ist zu befürchten, dass auch diesmal die Appelle der Helfer ungehört verhallen, die Zugang zu den Eingeschlossenen fordern.

Die Menschlichkeit ist in diesem Krieg längst auf der Strecke geblieben - nicht nur auf Seiten der Mordgesellen des Terror-Kalifen Abu Bakr al-Bagdadi, sondern auch auf der des syrischen Regimes.

Warum die Welt dem Sterben der Flüchtlinge ohnmächtig zusieht

Es hat Giftgas gegen das eigene Volk eingesetzt, es wirft die gefürchteten Fassbomben auf Jarmuk. Gefüllt mit Metallsplittern und Sprengstoff sind sie darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen zu töten und zu verstümmeln. Es spricht Bände, dass Assads Truppen das Bombardement auf jene Gebiete konzentrieren, die noch von den gemäßigten Rebellen und den Palästinensern gehalten werden - nicht etwa auf jene Gegenden, die bereits in den Händen der Dschihadisten sind.

Baschar al-Assad setzt darauf, dass die Zeit für ihn arbeitet und er am Ende selbst für seine Gegner im Westen und in der arabischen Welt gegenüber dem Islamischen Staat das geringere von zwei schlimmen Übeln ist. Wo die Dschihadisten nicht direkt sein Regime bedrohen, lässt er sie vielerorts gewähren, spielt das doch in sein Kalkül, alle Aufständischen pauschal als Terroristen hinzustellen.

Humanitäre Gesten gibt es von Assad nur, wenn er seine Ziele erreicht hat

Dem allen steht die Welt mit einer Ohnmacht und Hilflosigkeit gegenüber, die wütend und traurig macht. Von Bomben abgesehen ist der Islamische Staat für Einwirkung von außen nicht zugänglich. Syriens Regime mag Einflüsterungen aus Teheran noch ein Ohr schenken, doch lehrt die Erfahrung aus den Belagerungen von Homs, Aleppo und anderen Orten, dass Assad sich nur dann zu humanitären Gesten erweichen lässt, wenn er seine militärischen Ziele erreicht hat.

Eine Militärintervention großen Stils ist keine Option, eine politische Lösung des Konflikts ist nirgends in Sicht. Das Leiden der Menschen wird weitergehen, auch wenn das Regime sich jetzt anheischig macht, Jarmuk mit einer Militäraktion vom Islamischen Staat zu befreien.

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Quelle:
SZ vom 10.04.2015
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