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Brückenfinanzierung:Taumeln von Rate zu Rate

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Zwischen 82 bis 86 Milliarden Euro wird Athen in einem dritten Hilfspaket benötigen. Doch bis das Geld fließt, wird es noch dauern. Und wo es herkommt, ist auch nicht klar.

Von Cerstin Gammelin und Alexander Mühlauer, Berlin/Brüssel

Zwischen 82 bis 86 Milliarden Euro wird Athen in einem dritten Hilfspaket benötigen, so steht es in der Erklärung des Sondergipfels zu Griechenland. Doch bis das Geld fließt, wird es noch dauern. Mindestens vier Wochen, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag in Brüssel, wo die europäischen Finanzminister turnusmäßig berieten. Und deshalb, so Schäuble, brauche man zusätzlich eine schnelle Finanzierung noch in dieser Woche, um eine dramatische Situation am nächsten Montag zu vermeiden. Dann nämlich muss Griechenland 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Außerdem sind zwei überfällige, aber aus Geldmangel nicht gezahlte Raten an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig.

Im Ranking der Gläubiger steht der IWF vor der EZB, müsste also zuerst bedient werden. Vom IWF hat Athen allerdings zunächst nichts zu befürchten, wenn es nicht pünktlich zahlt, es bekommt lediglich eine förmliche Mahnung. Bei der EZB ist es anders, deren Anleihen müssen bedient werden: Sollte Griechenland nicht überweisen, würde das an den Märkten als Zahlungsausfall gewertet. Damit das nicht passiert, braucht Athen eine sogenannte Brückenfinanzierung. Im Gipfel-Beschluss steht, wie hoch diese ausfallen muss: Bis zum 20. Juli braucht Griechenland sieben Milliarden Euro, bis Mitte August kommen noch fünf Milliarden Euro hinzu.

Der Schuldenberg dürfte mit dem dritten Programm drastisch wachsen

Doch woher soll das Geld kommen? Die Euro-Finanzminister sollen die Frage beantworten. Sechs Wege, sagt Schäubles finnischer Ressortkollege, Alexander Stubb, lägen auf dem Tisch. Ein hoher EU-Finanzexperte spricht dagegen von 15 Optionen. Und Schäuble? Der Bundesfinanzminister findet, dass Athen seinen Anteil an dem Geld selbst aufbringen soll. Auch deshalb plädiert er dafür, dass die griechische Regierung Schuldscheine ausgibt, um innergriechische Verbindlichkeiten zu begleichen. Was er keinesfalls will, ist, dass die Euro-Länder Geld nach Athen ohne Gegenleistung überweisen. Dazu zählt er auch die Gewinne, die die EZB mit dem Handel von griechischen Staatsanleihen gemacht hat - und die Athen bereits im Rahmen früherer Kreditpakete versprochen wurden. Dann bliebe noch der Finanztopf EFSM, der einst bei der Europäischen Kommission für alle 28 Mitgliedstaaten angelegt wurde. "Nicht zielführend", nennt Schäuble den Vorschlag. Er sei "nicht der Experte im europäischen Recht, dafür ist die Kommission da." Dem Juristen Schäuble dürfte allerdings nicht entgangen sein, dass der EFSM gar nicht mehr für Kredite zur Verfügung steht, er wurde in den Euro-Rettungsfonds ESM integriert. Der ESM wiederum, der über ausreichend Finanzkraft verfügt, steht aus vertragsrechtlichen Gründen nicht für eine schnelle Finanzierung zur Verfügung. Und wenn gar kein Geld gefunden wird? Das Risiko, so Schäuble, liege vollständig bei Griechenland.

Der Finne Stubb räumt ein, es werde für die Euro-Zonen-Mitglieder schwierig, Geld ohne Bedingungen anzubieten. "Unterschätzt niemals die Leistungsfähigkeit europäischer Rechtsberater, eine Lösung zu finden." Es sei wahrscheinlich unmöglich, in diesem Stadium einen Rückzieher zu machen. Es sei denkbar, dass Griechenland bilaterale Darlehen bekomme. Zudem könnten die Gläubiger die Fristen zur Rückzahlung bis zu dem Zeitpunkt verlängern, an dem das Land die Gelder aus dem neuen Hilfspaket bekommt.

Der griechische Schuldenberg dürfte dem IWF zufolge mit dem dritten Programm drastisch wachsen. Bis Ende 2018 sei mit einem Schuldenstand von fast 200 Prozent der Wirtschaftsleistung zu rechnen, heißt es in einer IWF-Unterlage. Die Schulden seien "in höchstem Maße unhaltbar geworden".

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SZ vom 15.07.2015
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