Süddeutsche Zeitung

Britischer Europaskeptiker Bloom:"Ein Raum voller Flittchen"

Lesezeit: 2 min

Die europafeindliche UKIP-Partei findet starken Zuspruch bei vielen Briten. Doch nach ihrem Parteitag wird kaum über Inhalte diskutiert. Denn Parteimitglied und Europaparlamentsabgeordneter Godfrey Bloom bezeichnete alle anwesenden Frauen als "Flittchen" - und wird deswegen seinen Fraktionsvorsitz verlieren.

von Pia Ratzesberger

Großbritannien soll beben. Auf dem Parteitag der rechtspopulistischen UK Independence Party (UKIP) hat Chef Nigel Farage für das nächste Jahr Großes angekündigt: "Lasst uns ein Erdbeben in der Westminster-Politik auslösen." Seine Partei fand in den vergangenen Monaten in der Bevölkerung immer mehr Zuspruch, gräbt den Konservativen zunehmend Stimmen ab. Farage blickt deswegen durchaus zuversichtlich auf die Europawahl im nächsten Jahr. Die UKIP wird stärkste Kraft in Großbritannien werden, da ist er sich sicher. Doch statt im nächsten Jahr das Regierungsviertel zu erschüttern, löste seine eurokritische UKIP jetzt schon ein kleines Beben in der britischen Politik aus. Unbeabsichtigt.

Denn UKIB-Mitglied Godfrey Bloom, Abgeordneter im Europäischen Parlament und für seine provokanten Sprüche bekannt, nahm während des Parteitags an einer Veranstaltung teil, in der es um die Förderung von Frauen in der Politik ging - und bezeichnete alle weiblichen Anwesenden dort als "sluts", als "Flittchen". Eine der Frauen sprach den Politiker während der Veranstaltung auf einen Kommentar von vor neun Jahren an. Damals schon machte Bloom keinen Hehl aus seinem antiquierten Rollenverständnis: Frauen würden nicht oft genug hinter dem Kühlschrank putzen, meinte er früher einmal.

Als dem Politiker auf der Parteitag-Veranstaltung eine der anwesenden Frauenrechtlerinnen deswegen einen Seitenhieb erteilte und verkündete, sie hätte noch nie hinter ihrem Kühlschrank sauber gemacht, erwiderte Bloom lediglich: "Dieser Raum ist voller Flittchen." Auf einer Audio-Aufnahme der Huffington Post ist der kurze Gesprächsauszug zu hören, danach folgt Gelächter.

Godfrey Bloom, der auch in einem Ausschuss der Europäischen Parlaments für Frauenrechte und Geschlechtergleichheit sitzt, verteidigte sich anschließend auf Twitter. Die Bemerkung sei nur ein Scherz gewesen, alle Frauen im Raum hätten das auch so verstanden. Das beweise doch das anschließende Lachen, sagte er später.

Parteichef Nigel Farage findet den Spruch allerdings gar nicht witzig. Ihm kommt es ungelegen, dass die öffentliche Diskussion um Blooms Äußerungen nun sowohl seine eigene Rede als auch den gesamten Parteitag überschattet - und der UKIP wieder einmal negative Schlagzeilen einbringt. Bloom habe diesmal "die Grenze überschritten", sagte Farage. Der Parteivorsitzende Steve Crowther bestätigte der BBC, dass Bloom der Fraktionsvorsitz entzogen und er von jeglicher offizieller Beteiligung in der Partei suspendiert werden würde. Es gebe keine "andere Möglichkeit", sagte Farage.

Zu dieser Entscheidung trug wohl auch bei, dass Bloom während des Parteitags nicht nur einen verbalen Ausrutscher hatte. Auf einem Youtube-Video ist zu sehen, wie der Politiker einen Fernsehjournalisten angreift. Dieser hatte gefragt, warum die UKIP keine farbigen Menschen auf ihrem Titelbild für die Agenda des Parteitages zeige. Bloom tat das als "rassistische Frage" ab und schob nach: "Du widerst mich an."

Für Bloom sind diese Äußerungen fast noch harmlos. Im vergangenen Jahr fiel der Politiker bereits mit Nazi-Vergleichen auf. Damals störte er im Europaparlament eine Rede des SPD-Politikers Martin Schulz mit dem nationalsozialistischen Propaganda-Ausruf "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" und bezeichnete Schulz im Nachhinein als "undemokratischen Faschisten".

Dass Bloom nun erneut verbal um sich schlägt, könnte die UKIP Popularität kosten. Bei der Kommunalwahl im Mai dieses Jahres hatte die rechtsgerichtete Partei noch enorme Zugewinne verbuchen können, in manchen Städten und Gemeinden Großbritanniens stand sie plötzlich sogar auf Platz zwei hinter einer der großen Parteien.

Bei der Parlamentswahl vor drei Jahren war die UKIP nur auf 3,1 Prozent gekommen und hatte daher keinen einzigen Sitz im Westminster errungen. Doch die wachsende Europaskepsis der Briten kommt dem europafeindlichen Farage und seinen Mitstreitern jetzt zu gute. "Wir haben 30.000 Mitglieder und wachsen schnell", sagte Farage am Freitag. "Wenn die nächsten Parlamentswahlen 2015 anstehen, werden wir die Partei sein, die die drittgrößte Mitgliederzahl hat." Bloom wird dem Parteichef nun wohl auf jeden Fall nicht mehr die Schau stehlen können.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.

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