Süddeutsche Zeitung

Brief der Kanzlerin:Merkels Retoure 

Lesezeit: 2 min

Im Januar kritisierte Horst Seehofer die Flüchtlingspolitik Angela Merkels und drohte mit einer Verfassungsklage. Jetzt hat die Kanzlerin geantwortet.

Von Robert Roßmann

Angela Merkel hat sich mit ihrer Antwort an Horst Seehofer lange Zeit gelassen. Der bayerische Ministerpräsident hatte am 26. Januar in einem Brief an die Kanzlerin eine deutliche Verschärfung der Flüchtlingspolitik verlangt - und dabei sogar mit einer Verfassungsklage gegen die eigene Bundesregierung gedroht. Um die Wucht seiner Drohung zu erhöhen, legte Seehofer seinem Brief ein umfangreiches Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio bei. Doch Merkel reagierte einfach nicht. Woche um Woche wurde der Ministerpräsident vertröstet. Erst jetzt erhielt er eine Antwort. Keine der beiden Seiten veröffentlichte den Brief. Die Süddeutsche Zeitung erhielt trotzdem Kenntnis vom Inhalt.

Merkel schreibt in dem drei Seiten langen Antwortbrief an Seehofer, dass das Kanzleramt sowie die zuständigen Bundesministerien die Darlegungen Seehofers und Di Fabios einer eingehenden Prüfung unterzogen hätten. Das Ergebnis sei jedoch, dass die Bundesregierung weder den Vorwurf, der Bund habe im Zusammenhang mit seiner Flüchtlingspolitik rechtliche Bindungen missachtet, noch den Vorwurf, der Bund habe keine Schritte zur Reduzierung der Flüchtlingszahl unternommen, für begründet erachte.

Die Bundesregierung verfolge das Ziel einer nachhaltigen Lösung der Flüchtlingskrise, schreibt die Kanzlerin. Das bedeute, dass die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge reduziert werden müsse, Europa aber zugleich auch seinen humanitären Verpflichtungen gerecht werden müsse. Dazu seien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene Schritte in erheblichem Umfang unternommen worden.

Merkel verweist dabei auf die bessere Bekämpfung von Fluchtursachen außerhalb Europas, etwa durch die Beschlüsse der Konferenz von London Anfang Februar. Außerdem erwähnt sie die Vereinbarung der Europäischen Union mit der Türkei vom 18. März. Dadurch werde den Schleusern in der Ägäis die Geschäftsgrundlage entzogen und die illegale Migration aus der Türkei nach Europa deutlich reduziert.

Außerdem erwähnt Merkel die Bemühungen der Bundesregierung um Neuordnungen im europäischen Recht, vor allem bei der Asylzuständigkeitsordnung (Dublin-III-Verordnung). Ziel sei es, dass Europa zu einer einheitlichen, entschlossenen und solidarischen Antwort auf die Flüchtlingskrise finde.

Auf die Drohung Bayerns mit einer Verfassungsklage geht Merkel kaum ein

Auf der nationalen Ebene habe man Fehlanreize beseitigt, Verfahren verschlankt und erhebliche Mittel im Etat bereitgestellt, um die Handlungsfähigkeit der Bundes-, der Landes- und der Kommunalebene zu sichern, schreibt Merkel. Auch die Bundesverwaltung unterstütze Länder und Kommunen, etwa bei der Registrierung, der Verteilung und der Unterbringung der Asylsuchenden.

Dann geht die Kanzlerin auf die rechtlichen Vorwürfe Seehofers ein, allerdings nur in sehr allgemeiner Weise. Merkel schreibt, hinsichtlich der Frage, welche Instrumente in welcher Reihenfolge am besten geeignet seien, um die flüchtlingspolitischen Ziele zu erreichen, würden das EU-Recht und das nationale Recht politische Handlungsspielräume eröffnen. Die Bundesregierung sei von Rechts wegen nicht auf den Einsatz bestimmter Instrumente beschränkt.

Am Ende ihres Briefes lobt Merkel die Umsicht und die Entschlossenheit, mit der der Freistaat Bayern auf die große Zahl an Flüchtlingen in den vergangenen Monaten reagiert habe. Sie schließt ihr Schreiben an Seehofer mit dem Hinweis, der Bundesregierung sei auch weiterhin an einem engen Austausch gelegen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2968014
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.04.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.