Süddeutsche Zeitung

Berliner Moschee:Minarett im DDR-Refugium

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Es ist die erste Moschee Ostdeutschlands. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen wird sie in Pankow eröffnet - und es wird wieder Ärger geben.

Constanze von Bullion

Wenn am Donnerstag ein Herr mit Bart und Turban im Berliner Bezirk Pankow auftaucht, dann wird er zwischen einem Fischgroßmarkt und einer Autobahnzufahrt auf einen anderen Herrn mit Bart stoßen. Der erste Bärtige heißt Hadhrat Mirza Masroor Ahmad und ist der fünfte Nachfolger des "Verheißenen Messias".

Der zweite Bärtige heißt Wolfgang Thierse ist kein Heiliger, gibt sich aber gern etwas pastoral und will eine Prozession von 200 Festgästen anführen, die sich aus dem Bundestag, dem Senat, allen demokratischen Parteien und diversen Religionsgemeinschaften auf den Weg gemacht haben, um für Toleranz zu werben. In Pankow wird die erste Moschee Ostdeutschlands eröffnet, eine umstrittene Angelegenheit.

Kein Berliner Moscheebau hat für so scharfe Debatten gesorgt wie der im einstigen DDR-Funktionärsrefugium Pankow. Als 2006 bekannt wurde, dass die islamische Ahmadiyya-Gemeinde hier ein Gebetshaus errichten will, mit weißer Kuppel und Minarett, formierte sich ein Bündnis der Empörten.

Nachbarn fanden, Kopftuchfrauen und Extremisten hätten nichts verloren im Kiez. Es wohne doch kein einziges Gemeindemitglied dort, argumentierte der Anführer einer Bürgerinitiative. Atheisten und Christen kämpften fortan gegen die Fremdgläubigen, unterstützt vom damaligen Kreischef der CDU und der NPD.

Auch bei der Eröffnung wollen die Moschee-Gegner für Stimmung sorgen - ohne NPD, die hat ihre Demo kurzfristig abgesagt. Den Rechtsextremen ist der wichtigste Partner aus dem bürgerlichen Lager weggelaufen.

Die Pankower CDU hat entschieden, das Bündnis "Wir sind Pankow - tolerant und weltoffen" zu unterstützen und mit einer Anwohnerinitiative für Religionsfreiheit zu demonstrieren. Dass die CDU die Marschrichtung ändert, liegt auch daran, dass sie seit einer Weile einen neuen Kreisvorsitzenden hat. Peter Kurth, früher mal Finanzsenator, gehört in seiner Partei zur Diaspora derer, die für Pluralität kämpfen.

Ein zivilgesellschaftliches Bündnis hat da also Bürgerängste und Fremdenfeinde an den Rand gedrängt - einerseits. Andererseits ist die Ahmadiyya-Gemeinde nicht über alle Zweifel erhaben. Die Gruppierung geht auf eine konservative Reformbewegung im Islam zurück, die im 19. Jahrhundert in der gebildeten Mittelschicht der Stadt Lahore begann, die heute in Pakistan liegt.

Muslime forderten dort, den Islam von nationalen Einflüssen zu reinigen und zu seinem wahren Kern zurückzufinden. Die Ahmadis, die in ihrem Gründervater Ghulam Ahmad den neuen Propheten und Messias sahen, wurden von den Muslimen angefeindet, auch weil sie sich der anti-kolonialen Bewegung gegen die britischen Besatzer nicht anschlossen.

Bis heute werden Ahmadis verfolgt, in Pakistan sind sie seit 1974 verboten, gut 30000 flohen als Asylbewerber nach Deutschland, 200 leben in Berlin. Bei Verfassungsschützern gelten sie als harmlos, wirken aber oft wie eine Sekte. Das liege auch daran, dass untereinander geheiratet werde und die Minderheit das Gefühl der Selbstbehauptung nie habe abstreifen können, sagt die Islam-Expertin Claudia Dantschke vom Zentrum für demokratische Kultur. "Es handelt sich nicht um Extremisten, aber auch nicht um liberale Muslime, und es gibt einige problematische Aspekte, die diskutiert werden müssen." Dazu gehöre die Einstellung zu Frauen und Homosexuellen.

Moschee-Gegner, die sich in die Schriften der Ahmadis vertieft haben, fanden Texte, in denen das Schlagen von Frauen als "negative Zärtlichkeit" schöngeredet wird, auf der Homepage behauptete jemand, Schweinefleisch mache homosexuell.

"Das wurde aus dem Zusammenhang gerissen, Gewalt gegen Frauen ist bei uns streng verboten", sagt ein Gemeindesprecher, viele Gemeindemitglieder seien berufstätige Akademikerinnen. Auch das mit den Schweinen und den Schwulen sei "nicht die Position der Gemeinde".

Die Ahmadis werben nun weiter um Verständnis. Der Anführer der Moschee-Gegner, der anfangs dachte, Ahmadiyya sei ein Cappuccino, hat inzwischen den Imam getroffen. Der Mann sei rein menschlich "durchaus ein passabler Großvater für meine Kinder", stellte er fest. Der Imam hat ihn im Gegenzug zur Eröffnung eingeladen. Er wird kommen - und vor der Tür demonstrieren.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2008
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