Süddeutsche Zeitung

Beratungen auf Geberkonferenz:Wie der Wiederaufbau Malis gelingen kann

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In Brüssel wird heute auf einer Geberkonferenz über die Zukunft Malis beraten. Dabei dürfte es neben Geld auch um Wahlen gehen. Das Land braucht eine Führung, die dem Volk das Vertrauen in ihre Regierung zurückgibt. Kidal, eine Tuareg-Hochburg im Norden des Staates, könnte dabei zum großen Hindernis werden.

Ein Kommentar von Tobias Zick

Sie sind mit französischen Fahnen empfangen worden, als sie im Januar in Mali einrückten. Noch heute schlägt den Franzosen viel aufrichtige Dankbarkeit entgegen; dafür, dass sie den Norden des Landes aus der Schreckensherrschaft islamistischer Extremisten befreit haben. Und doch wachsen in dem westafrikanischen Land inzwischen Ungeduld und Unverständnis über das Verhalten der einstigen Kolonialmacht.

Wenn an diesem Mittwoch auf einer Geberkonferenz in Brüssel über die Zukunft Malis beraten wird, dürfte es neben Geld für den Wiederaufbau vor allem um Wahlen gehen. Die sollen nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft schon im Juli stattfinden. In der Tat braucht das Land dringend eine demokratisch legitimierte Führung; eine, die im Norden die zertrümmerte, geplünderte Verwaltung wieder aufbaut und im ganzen Land Vertrauen in ein gemeinsames Staatswesen herstellt. Doch daran, dass in nicht einmal zwei Monaten auf glaubwürdige Weise ein Präsident gewählt werden kann, der dazu fähig ist, glauben immer weniger Malier.

Ein großes Hindernis liegt im hohen Norden, in der Tuareg-Hochburg Kidal. Hier bricht nun vieles hervor, was malische Regierungen und internationale Akteure in der Vergangenheit an Unheil gesät haben. Während in zwei der drei großen Städte des Nordens - Timbuktu und Gao - längst die malische Armee zurückgekehrt ist, wird Kidal nach wie vor von Rebellen kontrolliert. Die Tuareg-Miliz MNLA hat sich dort eine Enklave eingerichtet, geriert sich inzwischen als Verbündeter im Kampf gegen die Islamisten und weigert sich, die Waffen zu strecken. Das französische Militär wiederum verweigert den malischen Truppen den Zutritt zur Stadt, mit der Begründung, man wolle nicht Tür und Tor für Rachemassaker an der Tuareg-Bevölkerung öffnen.

Für viele Malier, Militärs wie Zivilisten, ist das ein schwerer Affront: Die MNLA darf der internationalen Gemeinschaft das Verhandlungstempo diktieren? Jene drogenschmuggelnden Rebellen, die im Januar 2012 Dutzende malische Soldaten töteten und sich dann mit al-Qaida-nahen Islamisten verbündeten, um brandschatzend die nördliche Hälfte des Landes zu erobern und einen unabhängigen "Tuareg-Staat" auszurufen - in einem Gebiet, wo die Tuareg eine Minderheit sind?

Eine glaubwürdige Wahl kann es nur geben, wenn Kidal seinen Sonderstatus verliert und an der Wahl teilnimmt, sprich: wenn die MNLA freiwillig die Waffen abgibt oder aber entwaffnet wird. Kidal wird für die Franzosen zum Synonym für ein Dilemma, und Präsident François Hollande trägt dabei schwer an dem Erbe, das ihm sein Vorgänger Nicolas Sarkozy hinterlassen hat. Der hatte die MNLA-Rebellen als vermeintliche Verbündete gegen die Extremisten umgarnt - eine zusätzliche Aufwertung für die Tuareg-Eliten aus Kidal, die bereits der früheren malischen Regierung Privilegien abgetrotzt und einen weitgehenden Rückzug von Polizei und Armee aus dem Norden des Landes durchgesetzt hatten. In dem rechtsfreien Raum, der sich so unter den Augen der internationalen Gemeinschaft auftat, konnte die derzeitige Krise überhaupt erst losbrechen.

In Brüssel wird sich an diesem Mittwoch kaum jemand Illusionen machen über ein baldiges Auferstehen des malischen Staates aus eigener Kraft. Die zersplitterte, unqualifizierte Armee wird noch über Jahre nicht in der Lage sein, Blauhelme und französische Spezialtruppen zu ersetzen. Und innere Stabilität wird es nur geben, wenn Staat und Zivilgesellschaft so wieder aufgebaut werden, dass dabei keine ethnische Gruppe bevorzugt wird. Auch wenn sie noch so sehr durch Kampfkraft, Selbstbewusstsein und opportunistische Schwenks beeindruckt.

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Quelle:
SZ vom 15.05.2013
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