Süddeutsche Zeitung

Belgien:Ende einer Flucht

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Die belgische Polizei spürt den mutmaßlichen Paris-Attentäter Salah Abdeslam in Brüssel auf. Man habe ihn "neutralisiert und verletzt".

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Vier Monate haben sie ihn gesucht, jetzt wurde er gefasst: Salah Abdeslam, 26 Jahre alt, Hauptverdächtiger der Terroranschläge vom 13. November in Paris. Am frühen Freitagabend nahm ihn die belgische Polizei dort fest, wo er einst aufwuchs, im Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Dies bestätigte die Staatsanwaltschaft. Nach übereinstimmenden Berichten belgischer Medien sei Abdeslam bei einer Razzia "neutralisiert und verletzt" worden. Er sei nach der Festnahme in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht worden. Der belgische Premierminister Charles Michel sagte am Freitagabend, außer Abdeslam seien noch zwei weitere Tatverdächtige festgenommen worden. Der französische Staatschef François Hollande, der sich wegen des EU-Gipfels in Brüssel aufhielt, sagte, er gehe davon aus, dass die französischen Behörden schnell einen Auslieferungsantrag stellen werden.

Die Spur zu Abdeslam führte die Polizei diese Woche in den Stadtteil Forest. Dort hatten belgische und französische Beamte am Dienstag bei einer Hausdurchsuchung einen Terrorverdächtigen getötet, zwei Männer konnten fliehen. In der Wohnung der mutmaßlichen Paris-Attentäter fand die Polizei Fingerabdrücke von Abdeslam auf einem Glas.

Als die Einsatzkräfte am Freitag schwer bewaffnet und mit schwarzen Helmen und Sturmmützen in die Rue des Quatre-Vents kamen, fielen plötzlich Schüsse. Augenzeugen berichteten, dass ein Mann zwischen zwei Autos am Boden lag. Anwohner mussten zurück in ihre Häuser, Ladenbesitzer ließen Rollläden herunter. Immer wieder hörte man in Molenbeek Schüsse und Explosionen.

Lange Zeit war unklar, ob sich Salah Abdeslam überhaupt noch in Brüssel aufhielt. Es gab Spekulationen, er habe sich längst nach Syrien abgesetzt.

Abdeslam soll für die Logistik der Anschlagsserie in Paris verantwortlich sein. Er soll, so werfen ihm die Ermittler vor, den schwarzen Seat gefahren haben, von dem aus die Angreifer auf Restaurants und Bars gefeuert hatten. Außerdem soll er es gewesen sein, der einen VW mit belgischem Kennzeichen gemietet hat, der wohl für den Anschlag auf den Konzertsaal Bataclan benutzt wurde.

Bereits wenige Tage nach den Attentaten, bei denen 130 Menschen starben, veröffentlichten die belgischen Behörden ein Fahndungsfoto, dazu die Warnung: "Salah Abdeslam wird als gefährlich eingestuft und könnte schwer bewaffnet sein." Das Foto des 1,75 Meter großen schlanken jungen Mannes mit den braunen Augen ging um die Welt.

Immer wieder hatte sein Bruder in Interviews an den Gesuchten appelliert, sich zu stellen

Sein Bruder Mohamed sagte nach den Anschlägen von Paris: "Wir wissen nicht, ob er sich traut, sich der Justiz zu stellen oder nicht." Und dann sagte er noch: "Wir sind eine offene Familie, wir hatten niemals Probleme mit der Justiz." Die Mutter der drei Abdeslam-Brüder nahm ihre Söhne in Schutz. Der älteste von ihnen, Brahim, habe niemanden ermorden wollen; er habe sich nur selbst "wegen des Stresses" in die Luft gesprengt. Belgischen Behörden zufolge hatte Brahim Abdeslam in Molenbeek die Bar "Les Béguines" betrieben. In Brüssel galt das Lokal als Umschlagplatz für Drogen. Zuvor hatte Brahim zusammen mit seinem Bruder Salah ein Lebensmittelgeschäft geführt, das sie aber im Sommer 2011 aufgaben.

Immer wieder hatte Salahs Bruder Mohamed in Interviews an den Gesuchten appelliert, sich zu stellen. Er berichtete, dass seine beiden Brüder in den Monaten vor den Anschlägen gesünder gelebt, gebetet, keinen Alkohol mehr getrunken hätten und hin und wieder in die Moschee gegangen seien. Er wollte darin aber "nicht direkt ein Zeichen für Radikalisierung" sehen. Zur Rolle Salahs bei den Anschlägen sagte Mohamed: "Er ist sehr intelligent. Salah hat in letzter Minute kehrtgemacht."

Die Attentäter von Paris richteten in der Konzerthalle Bataclan ein Massaker an, sie schossen auf Bars und Restaurants; am Stade de France sprengten sich während des Fußball-Länderspiels Frankreich-Deutschland drei Selbstmordattentäter in die Luft. Eine Woche später riefen Belgiens Behörden die höchste Terrorwarnstufe für die Hauptstadtregion Brüssel aus. Seitdem kam es zu über 100 Anti-Terror-Einsätzen gegen mutmaßliche Islamisten. Am Freitag hatten die Ermittler Erfolg.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2016
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