Süddeutsche Zeitung

Bayern:Geschichtsvergessen

Wie die Staatsregierung mit dem Rechtsstaat spielt.

Von  Kurt Kister

Es darf nicht sein, dass Menschen einfach so auf längere Zeit in Gefängnissen verschwinden", sagt Merkels Sprecher Steffen Seibert im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Journalisten in der Türkei. Tatsächlich verschwinden unter dem Regime Erdoğan missliebige Reporter einfach so in der U-Haft. Der Welt-Journalist Deniz Yücel ist eines der Opfer.

Nun ist die Türkei kein Rechtsstaat mehr. Bayern dagegen ist ein Rechtsstaat. Und dennoch will die bayerische Landesregierung ein Gesetz einführen, nach dem sogenannte Gefährder in Zukunft nahezu beliebig lange in Haft genommen werden können - ohne dass ein Gerichtsurteil gegen sie vorliegt. Bisher ist das für maximal 14 Tage möglich, eben weil es um eine Präventivhaft geht. Mit dem Einsperren von Menschen ohne Urteil für beliebige Zeit hat man in Deutschland historisch sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Früher hieß das mal Schutzhaft.

Gewiss, "einfach so" würden Gefährder nicht in bayerischen Gefängnissen verschwinden, ein Richter würde die Haft jedes Jahr überprüfen. Aber es gibt schon heute genug Möglichkeiten, solche Menschen zu überwachen, ohne dass man sie auf Dauer wegsperrt. Dieses Gesetz ist unnötig, und es ist geschichtsvergessen. Auch der bayerische Rechtsstaat ist zu wertvoll, als dass die CSU mit Gesetzen dieser Art versuchen sollte, die AfD auf dem Mittelstreifen zu überholen.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2017
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