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Maßnahmen gegen Corona-Ausbrüche:Was der Bund-Länder-Kompromiss zu lokalen Ausreisebeschränkungen beinhaltet

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Mit einer Art Stufenplan soll zielgenauer auf lokale Ausbrüche der Corona-Pandemie reagiert werden. Damit endet eine Auseinandersetzung, die die Kanzlerin ausgelöst hatte; der ursprüngliche Vorschlag war aus mehreren Ländern scharf kritisiert worden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Bund und Länder wollen künftig zielgenauer auf lokale Ausbrüche der Corona-Pandemie reagieren. Im Fall unkontrollierter Infektionsherde sollen aber auch Ein- und Ausreisesperren verhängt werden können. Darauf haben sich die Staatskanzleichefs der Länder am Donnerstag mit Kanzleramtschef Helge Braun geeinigt. In dem Beschluss wird ein Stufenplan festgeschrieben. Demnach sollen die Länder örtliche Infektionsherde zunächst mit eigenen "Monitoring-, Test- und Beschränkungskonzepten" bebekämpfen. Bei Ausbrüchen in einem "Cluster", also in Firmen, Glaubensgemeinschaften oder Familien, sollen wie bisher Kontakte verfolgt und Quarantänemaßnahmen ergriffen werden. Steigen die Infektionszahlen aber weiter und gibt es keine Gewissheit, dass die Infektionsketten "umfassend unterbrochen" sind, sieht der Beschluss "Beschränkungen nicht erforderlicher Mobilität in die besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus" vor. Diese Maßnahmen sollen zielgerichtet erfolgen und müssen sich "nicht auf den gesamten Landkreis" oder eine ganze Stadt beziehen. Mit diesem Kompromiss endet ein Disput, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einigen Tagen angestoßen hatte. Bei ihrem Besuch in Bayern hatte sie für lokale Ausreisesperren zur Bekämpfung der Pandemie plädiert.

Bei einem örtlich begrenzten Ausbruch könne ein Ausreiseverbot günstiger sein als umgekehrt ein bundesweites Aufnahmeverbot in Hotels für Reisende aus diesem Gebiet. "Ich finde, das ist jedenfalls ein Vorschlag, den man diskutieren sollte und für den ich werben würde", sagte Merkel. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verwies auf Ausgangssperren im bayerischen Landkreis Tirschenreuth im März. So könne die Ausbreitung der Infektionen unter Kontrolle gebracht werden.

In etlichen Bundesländern wurde das als Forderung verstanden, bei lokalen Ausbrüchen ganze Regionen abzuriegeln. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) protestierte, man brauche differenzierte Lösungen. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte, Ausreiseverbote seien "gerade für Ostdeutsche mit besonderen Erfahrungen" verbunden: "Wir machen das auf keinen Fall." Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) verwies auf 1,5 Millionen Menschen allein im Raum Hannover. "Ein Ausreiseverbot für diese 1,5 Millionen Menschen, womöglich wegen eines klar zu lokalisierenden Ausbruchs, das kann auch angesichts der aktuell sehr niedrigen Infektionszahlen nicht funktionieren", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Nun hat man sich also auf einen Stufenplan geeinigt. Reiner Haseloff zeigte sich zufrieden. "Wir müssen niederschwellig, schnell, lokal begrenzt und rechtssicher auf eine Häufung lokaler Fallzahlen reagieren", erklärte er. "Wir halten es für richtig, dass man künftig eine regionale Betrachtung vornimmt, um die Maßnahmen verhältnismäßig auszugestalten", sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2020
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