Süddeutsche Zeitung

Migration:Ausländerbehörden am Limit

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Lange Wartezeiten, stark steigende Arbeitsbelastung, überforderte Mitarbeiter: Eine Umfrage bei 90 Ämtern offenbart ein "alarmierendes Bild".

Von Max Ferstl, Stuttgart

Wie es um deutsche Ausländerbehörden bestellt ist, war in den vergangenen Monaten beispielhaft in der Eberhardstraße in Stuttgart zu beobachten. Dort übernachteten bis vor Kurzem Menschen vor der Eingangstür der Behörde, weil sie hofften, am nächsten Tag einen Termin zu bekommen. Die Situation war so chaotisch, dass die Behörde deutschlandweit in die Schlagzeilen geriet - eine Tatsache, die in der Stadtverwaltung einige als ungerecht empfanden. Schließlich seien andere Ausländerbehörden ähnlich überfordert.

Dass diese Behauptung einen wahren Kern hat, belegt nun eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Wissenschaftler von der Universität Hildesheim und der Universität Duisburg-Essen haben eine Umfrage unter 90 Ausländerbehörden durchgeführt und ausgewertet. Die Forscher beschreiben ein - in ihren Worten - "alarmierendes Bild". Ausufernde Wartezeiten sind laut der Studie keine Seltenheit. Mehr als 40 Prozent der befragten Behörden gaben an, dass ihre Kunden zwei Monate und länger auf einen Termin warten müssten.

"Flaschenhals der deutschen Migrationspolitik"

Wer einen Termin bekommt, trifft dann häufig auf Mitarbeiter, die über zunehmende Arbeitslast klagen. So gaben 92 Prozent der Befragten an, dass sich die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren stark erhöht habe. Zuletzt war viel vom Personalmangel in den Behörden die Rede, die Forscher sehen darin jedoch nicht zwingend "das größte Problem". Entscheidender könnte sein, dass Mitarbeiter nicht gut auf ihre Aufgabe vorbereitet würden. 72 Prozent der Befragten gaben an, dass neue Kollegen aus ihrer Ausbildung oder ihrer vorherigen Tätigkeit keine ausreichenden Vorkenntnisse mitbrächten. Was nicht unbedingt die Schuld der Betroffenen sein muss.

Ausländerbehörden haben im Wesentlichen zwei Aufgaben, die rechtlich allerdings zunehmend komplexer würden, so die Studie. Einerseits müssen sie sich um die Zuwanderung von Fachkräften kümmern, zum Beispiel Aufenthaltsgenehmigungen ausstellen oder Arbeitgeberwechsel prüfen. Andererseits müssen sie Migration begrenzen, also unter anderem Abschiebungen organisieren. Die politischen Ambitionen von Einwanderung drohten daran zu scheitern, schreiben die Forscher, "dass sie sich als nicht handhabbar in der administrativen Praxis erweisen". Entsprechend fällt der Befund aus: Ausländerbehörden seien "aktuell der Flaschenhals der deutschen Migrationspolitik".

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