Süddeutsche Zeitung

Atomkraftwerk Fukushima:Japaner leiten verstrahltes Wasser ins Meer

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Chaotisches Krisenmanagement: 11,5 Millionen Liter verstrahltes Wasser will die Betreiberfirma Tepco aus dem Atomkraftwerk Fukushima 1 ins Meer ableiten, gleichzeitig läuft durch ein Leck am Reaktorblock 2 weiter unkontrolliert hochradioaktives Wasser in den Ozean. Tepco erwägt nun den Bau einer Barriere im Meer - doch das könnte Tage dauern.

Marlene Weiss

Die Betreiberfirma des Atomkraftwerks Fukushima-1 hat am Montag damit begonnen, radioaktiv verstrahltes Wasser ins Meer abzuleiten. Insgesamt sollen nach Angaben von Tepco 11,5 Millionen Liter Wasser in den Pazifik geleitet werden. Die Radioaktivität der Flüssigkeit liege um das Hundertfache über dem gesetzlichen Grenzwert, das Wasser sei damit nur schwach verstrahlt. Das radioaktive Wasser in der Anlage hindert die Arbeiter daran, das Kühlsystem wieder in Gang zu bringen.

Währenddessen fließt durch ein Leck am Reaktorblock 2 weiter unkontrolliert hochradioaktives Wasser ins Meer. Das Wasser hatte sich im Untergeschoss des Turbinengebäudes von Reaktor 2 sowie in einem tunnelförmigen Verbindungsrohr angesammelt. Am Wochenende war vergeblich versucht worden, einen 20 Zentimeter langen Riss in der Wand eines Kabelschachtes am Ende des Verbindungsrohrs mit Zement zu schließen.

Versuche, das Leck mit einem chemischen Bindemittel abzudichten, das zusätzlich mit Sägemehl und geschredderten Zeitungen angereichert wurde, scheiterten ebenfalls. Daraufhin gaben die Arbeiter am Montag ein weißes Färbemittel in das Verbindungsrohr, um über die Färbung den Verlauf des Wassers aufzuspüren. Doch auch nach Stunden wurde an dem Riss kein gefärbtes Wasser festgestellt. Somit bleibt unklar, auf welchem Weg das radioaktive Wasser ins Meer gelangt.

Die Belastung des Wassers mit radioaktivem Jod-131 liegt laut Tepco um das 10000-Fache über der gesetzlichen Höchstgrenze. Die Regierung forderte den Konzern auf, schnell zu handeln: "Wenn die gegenwärtige Lage über lange Zeit anhält, wird es riesige Auswirkungen auf den Ozean haben", sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Tepco erwägt den Bau einer Barriere im Meer, um zu verhindern, dass radioaktiv verseuchter Schlamm in den offenen Ozean gelangt. Die Errichtung werde jedoch mehrere Tage dauern, sagte der Sprecher der japanischen Atomsicherheitsbehörde, Hidehiko Nishiyama.

Unterstützung für Regierung wächst

Nachdem bereits in Gemüse und Meeresfrüchten aus der Unglücksregion radioaktive Belastung gemessen worden war, wurden in der Stadt Iwaki im Nordosten von Fukushima nun auch in Shiitake-Pilzen radioaktive Substanzen gefunden. Die Konzentration von Jod-131 lag um das 1,55-Fache, die mit Cäsium um das 1,78-Fache über dem gesetzlichen Grenzwert. Die Provinzregierung verbot 23 Pilzbauern in der Stadt, die Pilze auszuliefern.

Wegen der Atomkrise zweifelt die japanische Regierung an der Umsetzbarkeit ihrer Klimaschutzziele. Es könne sein, dass das Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 25 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 überdacht werden müsse, sagte Regierungssprecher Edano.

Die Unterstützung für Ministerpräsident Naoto Kan hat indes laut einer Umfrage der Zeitung Yomiuri seit Beginn der Krise zugenommen: Die Zustimmung zur Regierungsarbeit stieg demnach trotz Kritik am Krisenmanagement von 24 auf 31 Prozent. Angesichts der katastrophalen Situation nach Erdbeben, Tsunami und AKW-Havarie sprachen sich der Umfrage zufolge zwei Drittel der Wähler für eine Beteiligung der oppositionellen Liberaldemokraten (LDP) an der Regierung aus. Bislang gibt es jedoch keine Anzeichen für die Bildung einer solchen Koalition.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2011
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