Süddeutsche Zeitung

Asylverfahren:Weise hat keine Zeit

Frank-Jürgen Weise ist ein versierter Manager. Doch diesem Mann, der für den Arbeitsmarkt zuständig ist, auch noch die Asylverfahren zu übertragen, ist ein Unding.

Kommentar von Heribert Prantl

Frank-Jürgen Weise ist ein versierter Manager. Er war Offizier, Controller und Firmengründer; er ist seit elf Jahren Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, er hat diesen Betrieb, der hunderttausend Mitarbeiter hat, umstrukturiert; er hat Glück gehabt: Die Arbeitslosigkeit ist in seiner Zeit um fast die Hälfte gesunken. Aber selbst einer, der Herkules wäre, kann nicht zugleich noch Odysseus sein.

Die Entscheidung des Bundesinnenministers, diesem Mann, der für den Arbeitsmarkt zuständig ist, auch noch die Asylverfahren zu übertragen (offenbar, weil beide Behörden in Nürnberg sitzen) ist ein Unding. Beide Aufgaben, Arbeitsmarkt und Migration, brauchen die ganze Kraft. Der Minister, der den Arbeits-Weise nun auch an die Spitze einer zweiten Großbehörde berufen hat, nimmt das nicht ernst.

Weise hat viel gelernt in seiner Karriere; mit den Problemen des Asylverfahrens war er nie befasst. Die Zeit aber, die auch ein erfahrener Manager braucht, hat er nicht. Um fast 300 000 brachliegende Asylverfahren schnell in den Griff zu kriegen, braucht es eine Runde höchst erfahrener Experten, die binnen weniger Tage kluge Vorschläge macht, auch solche ungewöhnlichster Art. Es geht nicht um Klein-Klein, nicht um die Details des Besonderen Verwaltungsrechts. Es geht um alles - es geht um das Grundvertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Weise ist allenfalls der Mann, solche Vorschläge dann durchzusetzen.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2015
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