Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Abwehrreflexe

Lesezeit: 1 min

Die SPD will die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ausweiten - die Opposition ist empört. Aber auch Teile der Sozialdemokraten hegen Zweifel.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Erwägung der Bundesregierung, Flüchtlinge vom westlichen Balkan zügiger als bisher zurückzuschicken und die Liste sicherer Herkunftsstaaten zu erweitern, sorgt für Dissens unter den Bundestagsparteien. Im Zentrum der Kritik stand am Montag vor allem die SPD. Er könne nicht verstehen, warum nach Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nun auch die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD) für eine "Politik der Abschottung" eintrete, sagte Linken-Parteichef Bernd Riexinger am Montag in Berlin. Linke, Sozialdemokraten und Grüne seien aufgerufen, sich für den Asylgedanken einzusetzen, statt Abwehrreflexe zu stärken. "Das ist der falsche Weg und eine Bankrotterklärung gegenüber Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen."

Özoguz hatte am Montag im ARD-Morgenmagazin gesagt, die Einstufung weiterer Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer könne helfen, wachsende Flüchtlingszahlen zu bewältigen und Asylverfahren zu beschleunigen. "Wir sind zu langsam am Abarbeiten der Verfahren", so Özoguz. "Viele Menschen vom Balkan wollen ja eher eine Arbeit finden und haben gar keinen Asylgrund." Am Wochenende hatte schon Außenminister Steinmeier betont, es dürfe "kein Tabu" sein, nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina nun auch Albanien, Montenegro und Kosovo zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Damit unterstützte er einen Vorstoß der Union.

In der SPD, deren Parteispitze sich mit sozialdemokratischen Ministerpräsidenten bereits verständigt hat, Asylverfahren beschleunigen zu wollen, gibt es jedoch auch Unbehagen über eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftssaaten. "Wir haben in der SPD eine durchaus differenzierte Haltung dazu", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl der SZ. Einerseits zwinge das Anwachsen der Flüchtlingszahlen die SPD zu Mitteln, "die uns nicht so leicht von der Hand gehen". Die Erfolgsquote bei Asylanträgen vom Balkan-Flüchtlingen liege bei weniger als einem Prozent. Man sei sich einig, dass die Verfahren kürzer werden müssten. "Andererseits tue ich persönlich mich natürlich schwer, das Asylrecht als individuelles Grundrecht mit Verfassungsrang einzuschränken." Wenn Länder für sicher erklärt würden, widerspreche dies dem Prinzip, jeden Asylantrag individuell zu prüfen. Dennoch rechne sie mit einer Entscheidung, die die SPD mittragen könne.

Die Westbalkanstaaten dürften Thema beim geplanten Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel werden. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, die Bundesregierung sei offen für ein Treffen im September. Ein genauer Termin stehe noch nicht fest.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2602491
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.08.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.