Süddeutsche Zeitung

Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer:"Kein Tabuthema"

Lesezeit: 2 min

Angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen aus Balkanstaaten debattieren Politiker verstärkt über eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Offenbar wollen Bund und Länder darüber auf ihrem nächsten Flüchtlingsgipfel beraten. Das berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter Berufung auf das Kanzleramt. Demnach wird das Treffen auf den 9. September vorgezogen; ursprünglich war es für Oktober oder November geplant. Am Wochenende bekräftigten Unionspolitiker ihre Forderung nach einer Ausweitung der Länder-Liste. Die SPD ist in der Frage gespalten.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich offen dafür, weitere Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. "Die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf die Staaten des Westbalkan darf kein Tabuthema sein", sagte er. Die Akzeptanz der Menschen in Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen könne nur erhalten werden, wenn glaubhaft daran gearbeitet werde, Verfahren zu beschleunigen, und wenn chancenlose Asylbewerber rasch Klarheit erhielten.

Ablehnungsquote für Flüchtlinge aus Balkanländern bei 99 Prozent

Die Zahl der Asylbewerber aus dem Westbalkan hat in den vergangenen Monaten zugenommen. Die Ablehnungsquote liegt nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bei 99 Prozent. Zu den betroffenen Staaten gehören Albanien, Kosovo und Montenegro. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte, Flüchtlinge aus diesen Ländern zügig zurückzuschicken. "Wer etwa aus Kosovo kommt, sollte innerhalb eines Monats wieder in seine Heimat zurück", sagte Kauder der Welt am Sonntag.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach sich dagegen aus, weitere Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. "Das ist armselige Symbolpolitik", sagte er der Bild am Sonntag. Die entsprechende Einstufung Serbiens, Mazedoniens sowie Bosniens im vergangenen Jahr habe "nichts an der Zahl der Flüchtlinge von dort geändert". Zudem würden Roma in Kosovo diskriminiert. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) appellierte an die Regierung, Entwicklungshilfe auf dem Balkan zu leisten. Deutschland müsse mit den Staaten "Entwicklungsvereinbarungen" schließen, sagte er der Welt.

Wiedereinreise-Sperre nach Ablehnung

Der Präsident des Bamf, Manfred Schmidt, kündigte an, dass viele Asylbewerber mit einer Wiedereinreise-Sperre nach Deutschland rechnen müssten. Derzeit seien 94 000 Anträge von Flüchtlingen aus Balkanstaaten in Bearbeitung. Fast alle würden mit dem ablehnenden Asylbescheid zugleich die Mitteilung über die Wiedereinreise-Sperre und das Aufenthaltsverbot erhalten, sagte Schmidt.

Angesichts des Mangels an Flüchtlingsunterkünften dringt die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner auf niedrigere Standards: "Die Gebäude müssen natürlich sicher und menschenwürdig sein, aber die Frage ist: Muss ein Gebäude unbedingt perfekt sein und allen Normen entsprechen, oder ist es nicht wichtiger, dass Menschen, die um ihr Leben gebangt haben, sicher unterkommen?" Ziel müsse sein, leer stehende Gebäude schnell zu beziehen. Zelte seien keine Lösung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2601305
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.08.2015 / epd, kna, dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.