Süddeutsche Zeitung

Antikorruptionsgesetz:500 000 Rumänen protestieren gegen Regierung

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Der Druck auf die erst seit einem Monat amtierende rumänische Regierung lässt nicht nach. Obwohl sie am Wochenende nach Massenprotesten ihr umstrittenes Dekret zur Strafminderung bei Korruption zurückgenommen hatte, gingen am Sonntag erneut Hunderttausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Landesweit beteiligten sich nach Schätzungen mehrerer Fernsehsender 500 000 Menschen an den Protesten, allein in der Hauptstadt Bukarest waren es bis zu 300 000 Teilnehmer.

Ministerpräsident Sorin Grindeanu von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) hatte die Rücknahme des Dekrets am Samstag angekündigt, am Sonntag folgte das Kabinett mit dem entsprechenden Beschluss. Grindeanu kündigte statt der Eilverordnung einen neuen Gesetzentwurf an, der dieses Mal dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Die Kehrtwende begründete er damit, er wolle eine "Spaltung" des Landes verhindern. Grindeanu lehnte in einem Fernsehinterview einen Rücktritt ab. Er habe eine "Verantwortung" gegenüber den Menschen, die seine Partei bei der Parlamentswahl am 11. Dezember gewählt hätten.

Die Menschen rufen "Rücktritt" und "Diebe"

Doch die Regierungsgegner strömten auch am Sonntag auf die Straßen und forderten den Rücktritt der Regierung: Auf dem Siegesplatz in Bukarest, wo sich der Regierungssitz befindet, versammelten sich am Abend den Schätzungen der TV-Sender zufolge zwischen 200 000 und 300 000 Regierungsgegner. Zwischen rumänischen Flaggen, EU-Flaggen und Protestschildern hielten viele Teilnehmer ihre leuchtenden Smartphones hoch und riefen "Rücktritt" und "Diebe".

Die Regierung wollte es mit der Eilverordnung schwieriger machen, Fälle von Amtsmissbrauch zu bestrafen. Unter anderem sollte Amtsmissbrauch nur noch mit Gefängnis geahndet werden, wenn der Streitwert über umgerechnet 44 000 Euro liegt. Nach Angaben von Grindeanu wird die 44 000-Euro-Grenze in dem nun angekündigten Gesetz "vermutlich" wieder fallengelassen.

Der Chef der Regierungspartei vermutet einen Plan der Opposition

Die Regierung hatte die Maßnahmen nach nicht einmal einem Monat im Amt am vergangenen Dienstag erlassen. Sie argumentierte, sie wolle damit die überbelegten Gefängnisse entlasten und die Strafgesetze mit der Verfassung in Einklang bringen. Von den Regeln hätten allerdings auch unzählige Politiker und Behördenvertreter profitiert - von denen viele der PSD angehören.

Der Parteichef der regierenden PSD, Liviu Dragnea, reagierte empört auf die Fortsetzung der Proteste und warf der Opposition vor, die Regierung stürzen zu wollen. "Wenn die Proteste nach der Rücknahme des Dekrets weitergehen, dann wird klar, dass es sich um einen nach den Parlamentswahlen (im Dezember) geschmiedeten Plan handelt." Das Ziel sei, die Regierung zu stürzen. Der Regierung aus Sozialdemokraten und Liberalen steht Staatspräsident Klaus Iohannis gegenüber, der zum Mitte-rechts-Lager gehört. Er hatte sich selbst an den Protesten gegen das Dekret beteiligt.

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