Süddeutsche Zeitung

Anschlag in London:Die Taktik der Terroristen zeigt ihre Schwäche

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Der Kampf gegen den islamistischen Terror ist nicht so erfolglos, wie es nach der grausamen Nacht in London erscheinen mag.

Kommentar von Stefan Ulrich

Die ersten Reaktionen zeugen von der Ratlosigkeit im Angesicht des Terrors, der am Pfingstwochenende schon wieder Großbritannien getroffen hat. Von einem "feigen Angriff auf Unschuldige", sprechen Regierungen aus aller Welt, von einem hinterhältigen Verbrechen, für das es "keinerlei Rechtfertigung gebe".

Als ob das betont werden müsste. Doch was soll man auch sagen, wenn aus dem Dunkel der Nacht drei Männer in einem Auto auftauchen, um Menschen zu ermorden, die spazieren gehen, ein Bier trinken, einen freien Abend in ihrer Stadt genießen möchten. Eine rasche Erklärung, einen adäquaten Trost kann es da nicht geben.

Großbritannien, Europa, die Türkei, Nigeria, der Irak, Afghanistan, Indonesien oder die USA - die Welt wird noch lange mit dieser Heimsuchung zu leben haben. Dennoch muss sie reagieren, dennoch ist sie nicht hilflos. Der Mix aus Polizeiarbeit, Zusammenarbeit der Geheimdienste, Kampf gegen den Pseudo-Islamischen Terrorstaat, Bestrafung von Hasspredigern, Aufklärung, Erziehung, Deradikalisierung und Befriedung kann und wird weiter verfeinert, verbessert und der Bedrohung angepasst werden.

Dieser Kampf ist keineswegs so erfolglos, wie es nach London erscheinen mag. Der Islamische Staat, der in Wahrheit ein antiislamisches Terrorreich bildet, ist dabei, seine beiden Hochburgen Mossul und Raqqa zu verlieren und damit den selbst geschaffenen Mythos der Unbesiegbarkeit. Das Ziel, diese Extremisten zu vernichten, eint sonst so zerstrittene Mächte wie die EU, Russland und die USA.

Und die Taktik der Terroristen, Selbstmörder mit Autos und Messern wahllos auf Unschuldige zu hetzen, ist derart erbärmlich, dass sie nur von Schwäche, nicht von Stärke zeugt. Die drei Männer vom Pfingstsamstag in London hätten gewiss gern noch viel mehr Menschen zerfetzt und verstümmelt, wenn sie Schnellfeuerwaffen und Sprengstoffgürtel zur Hand gehabt hätten. Dass dem nicht so war, könnte auch für die Arbeit von Polizisten und Geheimagenten sprechen.

Was gibt es Jämmerlicheres als Menschen, die ihre Identität daraus errichten, Selbstmord zu begehen und dabei möglichst viele Leben Unschuldiger zu zerstören? Und dennoch steckt hinter solchen Taten eine Strategie. Die Drahtzieher des Terrors wissen, dass sie der freien Welt eigentlich hoffnungslos unterlegen sind. Daher setzen sie auf eine Technik, wie sie der Judo-Sport kennt. Sie wollen ihren Gegner mit minimalem Aufwand zu Fall bringen, indem sie ihn dazu verleiten, seine eigenen Kräfte gegen sich selbst zu richten.

Dabei benutzen sie zwei Kniffe: Sie reizen die Demokratien dazu, derart überzureagieren, dass sie sich selbst aufgeben, indem sie Polizeistaaten errichten, Verdächtige foltern, die Religionsfreiheit abschaffen. Und sie verführen etliche Politiker und Bürger im Westen zu dem bösen Fehler, Terroristen und Muslime gleichzusetzen, und so zum Kampf der Kulturen aufzuwiegeln.

Langfristig lassen sich Terroristen nur besiegen, indem man sie isoliert. Denn dann werden sie auf das zurückgeworfen, was sie sind: schwach und schändlich.

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