Süddeutsche Zeitung

Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt:Kriminalkommissar soll Akten über Anis Amri verändert haben

Lesezeit: 1 min

Von Jens Schneider, Berlin

Die Nachprüfungen eines Sonderermittlers haben den Verdacht bestätigt, dass bei der Berliner Kriminalpolizei nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt Akten manipuliert wurden. Mit diesen Manipulationen wollte ein Kriminalkommissar möglicherweise eigene Versäumnisse verschleiern. "Vieles spricht dafür", sagte der Sonderermittler Bruno Jost am Montag. Der frühere Bundesanwalt ist vom Senat eingesetzt worden, um die Arbeit der Ermittlungsbehörden aufzuarbeiten. Er legte jetzt einen Zwischenbericht vor. Dieser Bericht bestätigt den Manipulationsverdacht, den im Frühjahr Berlins Innensenator Andreas Geisel erhoben hatte.

Demnach hätte gegen Amri im vorigen Herbst ein Haftbefehl wegen Drogenhandels erwirkt werden können. Damit wäre womöglich der Anschlag verhindert worden. Das LKA kam im November in einem umfangreichen Vermerk zu dem Schluss, dass Amri bandenmäßiger Handel mit Drogen vorgeworfen werden könne.

Jedoch wurde die Staatsanwaltschaft damit laut dem Bericht des Sonderermittlers nicht befasst, obwohl das notwendig gewesen wäre. Nach dem Anschlag sei dann ein neuer, kürzerer Vermerk erstellt worden, der die Vorwürfe gegen Amri milder darstellte. Es war nur noch von einer möglichen Verwicklung in Kleinhandel mit Drogen die Rede. Amri war da schon tot.

Kein "flächendeckendes Fehlverhalten" des Berliner LKA

Dieser kurze Vermerk entsprach laut Jost nicht den tatsächlichen Erkenntnissen der Ermittler. Er wurde auf den November 2016 zurückdatiert und war offenbar geeignet, die Versäumnisse zu kaschieren. Tatsächlich wurde nach dem Anschlag zunächst behauptet, dass die Polizei im Herbst nicht gegen Amri vorgehen konnte, weil er nur ein Kleindealer gewesen sei.

Gegen den Beamten ermittelt die Staatsanwaltschaft. Er habe zu den Vorwürfen bisher nicht Stellung genommen, sagte Jost. Der Sonderermittler sagte, dass auch mögliche Versäumnisse der Fachaufsicht im Landeskriminalamt überprüft werden sollten. So müsse geklärt werden, weshalb die "wochenlange Nichtbearbeitung des Vorgangs" dort nicht aufgefallen sei.

Zugleich betonte Jost aber, dass seine Untersuchungen neben den bekannt gewordenen Manipulationen keine Hinweise auf ein "flächendeckendes Fehlverhalten" im Landeskriminalamt Berlin ergeben hätten. Das Berliner Abgeordnetenhaus will in dieser Woche einen Untersuchungsausschuss zu den Hintergründen des Anschlags einsetzen.

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Quelle:
SZ vom 04.07.2017
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