Süddeutsche Zeitung

Untersuchungsausschuss zum Hochwasser:Die Zeugin

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Bundesfamilienministerin Anne Spiegel steht hart in der Kritik für ihr Krisenmanagement als Umweltministerin während der Flutkatastrophe an der Ahr. Am Freitag sagte sie vor dem Untersuchungsausschuss: Sie habe nie andere Prioritäten gehabt, als den Menschen zu helfen.

Von Gianna Niewel, Mainz

Am Freitagabend kam Anne Spiegel (Grüne) noch mal in den Mainzer Landtag, dorthin, wo sie im Sommer Umweltministerin gewesen ist, bevor sie als Familienministerin nach Berlin wechselte. Der Anlass ihres Besuches war kein angenehmer: Es ging um ihr Krisenmanagement während der Flutkatastrophe, ihre Einschätzung der Lage, ihre Erreichbarkeit. Und es ging um die Frage, ob ihr damals vor allem daran gelegen war, Schaden von sich und ihrem Ministerium abzuwenden.

In den vergangenen Tagen waren SMS-Protokolle öffentlich geworden, die die Ministerin stark belasten. Am Morgen des 15. Juli schrieb sie demnach an die Pressestelle ihres Ministeriums: "Das Blame Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben." Und weiter: "Ich traue es Roger ( Lewentz, der rheinland-pfälzische Innenminister, Anmerkung der Redaktion) zu, dass er sagt, die Katastrophe hätte verhindert werden können oder wäre nicht so schlimm geworden, wenn wir als Umweltministerium früher gewarnt hätten." Darüber hatte zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet.

Doch bevor die Ministerin vor dem Untersuchungsausschuss aussagte, traten erst einmal andere Zeugen auf - und die halfen, sie zu entlasten. Zunächst ihr ehemaliger Büroleiter: Das Bild von Anne Spiegel, die nur um ihr Ansehen besorgt sei, sei "ein Zerrbild". Danach kam ihr Staatssekretär. Der hatte am Abend der Flut versucht, sie telefonisch zu erreichen, unter anderem nach 22.24 Uhr. Sie habe ihn zurückgerufen. Nur: In den Einzelverbindungsnachweisen, die er dem Untersuchungsausschuss vorgelegt hat, ist dieser Anruf nicht gelistet.

Und dann kam Anne Spiegel in den Untersuchungsausschuss, um kurz nach 21 Uhr. Wie erinnert sie die Tage im Juli?

"Heute würde ich eine andere Formulierung wählen"

Am 14. Juli 2021 um 16.43 Uhr hatte ihr Ministerium eine Pressemitteilung verschickt. Darin lässt Spiegel sich so zitieren: "Wir nehmen die Lage ernst, auch wenn kein Extremhochwasser droht." Ihr Staatssekretär schrieb kurze Zeit später, der Sachstand in der Pressemitteilung sei "überholt" - das Ministerium korrigierte die Pressemitteilung aber nicht mehr. Die Mitteilung, sagte Spiegel am Freitag, sei nicht Teil der Meldekette. Die Meldekette des Hochwasserschutzes habe funktioniert. "Heute würde ich (...) eine andere Formulierung wählen."

Anne Spiegel sagte, sie habe schon am frühen Abend mehrfach gefragt, ob sie nicht auch - so wie der Innenminister - in den Norden des Landes fahren solle. Ihr Staatssekretär habe abgeraten: nicht ihre Ressortzuständigkeit. Spiegel habe dann einen Termin mit ihrem Fraktionsvorsitzenden gemacht und sei im Anschluss in ihre Mainzer Wohnung gegangen. Dort habe sie bis etwa 2 Uhr nachts Mails gelesen, sie habe auch telefoniert, mit dem Staatssekretär, mit dem Fraktionsvorsitzenden, ihrem Mann.

Zuletzt ging sie auch auf die SMS ein, die sie belasten. Anne Spiegel sagte, sie weise zurück, dass sie zu "irgendeinem Zeitpunkt" eine andere Priorität gehabt habe als den Menschen zu helfen. Es habe aus den Tagen "tausende Seiten Kommunikation" gegeben, die dem Untersuchungsausschuss vorgelegt wurden, sagte sie, und nur diese würden herausgestellt.

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