Süddeutsche Zeitung

Amtsenthebung:Mit zweien der Erste

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Eine Woche vor Ende seiner Amtszeit soll ein weiteres Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump beginnen. Wie kann das funktionieren?

Von Thorsten Denkler

Donald Trump dürfte als erster Präsident in die Geschichte der USA eingehen, der zweimal vom Repräsentantenhaus angeklagt wurde. Wie läuft so ein Verfahren? Was muss diesmal, kurz vor einem Regierungswechsel, alles beachtet werden? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wie funktioniert das Impeachment?

Entfernt erinnert ein Impeachment-Verfahren an einen Prozess vor Gericht. Das Repräsentantenhaus agiert als Ankläger. Der Senat als Richter. In Gang setzen kann es nur das Repräsentantenhaus. Es hat das alleinige Recht, Anklage gegen einen amtierenden Präsidenten zu erheben. Dazu reicht ein Beschluss, der mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten gefällt werden muss. Darin müssen die Anklagepunkte und eine Begründung enthalten sein. Mit dem Beschluss ist der Präsident formal angeklagt. Der Senat prüft dann, ob die Anklage Bestand hat. Zum einen, ob die Dinge so passiert sind, wie in der Anklageschrift beschrieben. Und zum anderen, ob diese Handlungen ausreichend sind, den Präsidenten aus dem Amt zu entfernen. Die Klage wird im Senat von einer Abordnung des Repräsentantenhauses vertreten. Für den Präsidenten sprechen dessen Anwälte.

Welche Rolle spielen die Senatoren?

Die 100 Senatoren agieren als Richter. Den Vorsitz in einem Impeachment-Prozess übernimmt allerdings der Vorsitzende Richter am Supreme Court, also John Roberts. Er leitet das Verfahren, hat aber keinerlei Entscheidungsmacht. Die Senatoren wiederum haben kein Rederecht. Fragen an eventuelle Zeugen können sie schriftlich dem Vorsitzenden Richter vorlegen. Roberts muss sie dann vorlesen. Wenn am Ende zwei Drittel der Senatoren zustimmen, ist Trump verurteilt und seines Amtes enthoben.

Weswegen wird Trump angeklagt?

Wegen "Anstiftung zum Aufstand". Vergangene Woche hat er in einer Rede vor Zehntausenden Anhängern vor dem Weißen Haus seine Fans dazu aufgerufen, zum Kapitol zu marschieren. Trump hatte zuvor per Twitter für die Kundgebung damit geworben, dass es "wild" werde. All das habe zum Sturm auf das Kapitol geführt, sagen die Demokraten und auch einige Republikaner.

Wie lange dauert ein Impeachment-Verfahren?

Das kann sehr unterschiedlich sein. Bisher haben die Verfahren Wochen bis Monate gedauert. 2019 etwa vergingen von der Verkündung, dass der Prozess im Repräsentantenhaus startet, bis zur Impeachment-Entscheidung am 18. Dezember fast drei Monate. Diesmal sind es nur wenige Tage.

Wann beginnt im Senat das Verfahren?

Wohl nicht vor dem 19. Januar. Der noch amtierende republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, hat schon klargestellt, dass er nicht gewillt sei, den Senat vorher aus seiner Winterpause zu rufen. Was dann passiert, ist erst mal offen. Die Frage ist, ob nicht auch die Demokraten ein Interesse haben, den Senat erst mal in Ruhe seine Arbeit unter der neuen Präsidentschaft aufnehmen zu lassen. Mit der Amtseinführung von Joe Biden wird Vizepräsidentin Kamala Harris den Vorsitz im Senat übernehmen. Außerdem werden kurz danach die beiden am 5. Januar in Georgia frisch gewählten demokratischen Senatoren Jon Ossoff und Raphael Warnock ihre Plätze im Senat einnehmen. Erst dann haben die Demokraten zusammen mit der Stimme von Harris eine knappe Mehrheit. Und können auch erst die Verfahrensregeln für die Impeachment-Verhandlung bestimmen, also ob und welche Zeugen gehört, welche Beweise zugelassen werden.

Gibt es festgeschriebene Regeln für das Impeachment?

Nein, die werden bei jedem Verfahren neu angepasst, meist basierend auf vorangegangenen Verfahren. Der Senat muss allerdings mit dem Verfahren beginnen, sobald das Repräsentantenhaus dem Senat die Impeachment-Entscheidung schriftlich übermittelt hat. Das müsste die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses veranlassen, Nancy Pelosi. Es soll Gespräche mit ihr geben, diese formelle Benachrichtigung deutlich hinauszögern. Womöglich so lange, bis nach Bidens Amtsantritt die ersten großen Vorhaben im Senat durch sind. Es steht ein weiteres Corona-Hilfspaket an. Außerdem will Biden möglichst schnell Schlüsselpositionen seiner Regierung besetzen. Egal aber, ob Außen-, Verteidigungs- oder stellvertretender Bauminister, fast jede wichtige Regierungsposition muss vom Senat bestätigt werden. Und jeder Kandidat wird dazu vom Senat erst angehört. Das kostet Zeit, die der Senat nicht hat, wenn er erst ein aufwendiges Impeachment-Verfahren durchziehen muss.

Welchen Sinn ergibt es, einen Präsidenten aus dem Amt heben zu wollen, der nicht mehr im Amt ist?

Dafür können verschiedene Gründe sprechen. Zum einen wäre das eine symbolische Grenzziehung. Noch nie ist ein Präsident seines Amtes enthoben worden. Trump wäre der erste. Es käme einer nachträglichen unehrenhaften Entlassung gleich. Schon der Umstand, dass Trump der erste Präsident ist, der zweimal in einer Amtszeit angeklagt wurde, ist ein erheblicher historischer Makel. Ein handfester Grund aber ist, dass die Senatoren Trump verbieten können, in Zukunft öffentliche Ämter anzunehmen. Die Gefahr einer Kandidatur von Trump für die Präsidentschaftswahl 2024 wäre damit gebannt. Das ginge allerdings erst, nachdem mit Zweidrittelmehrheit eine Amtsenthebung beschlossen wurde. 17 republikanische Senatoren müssten dafür mit den Demokraten stimmen.

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