Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Wachkoma

Warum der Begriff eigentlich ein Widerspruch in sich ist und sich die Patienten in einer Art Schwebezustand befinden.

Von Felix Hütten

Eigentlich ist der Begriff "Wachkoma" ein Widerspruch in sich. Denn das Koma, also der "tiefe Schlaf", bezeichnet in der Medizin einen Zustand vollständiger Bewusstlosigkeit. Doch Wachkomapatienten wie der nun nach jahrelangem Rechtsstreit verstorbene Franzose Vincent Lambert schlafen nicht tief, im Gegenteil: Sie haben meist die Augen geöffnet und atmen oft selbständig und ohne Hilfe von Maschinen. Unter Experten ist der Begriff des Wachkomas daher umstritten, weil er Angehörige oft verwirrt. Gemeint ist meist das sogenannte apallische Syndrom: Es kann passieren, dass etwa bei einem Schädel-Hirn-Trauma (Fahrradunfall) oder langem Sauerstoffmangel (Badeunfall) die Funktion des Großhirns meist unwiederbringlich erlischt, weitere Bereiche des Gehirns, die etwa für die Atmung zuständig sind, aber intakt bleiben. Die Patienten befinden sich in einer Art Schwebezustand zwischen Bewusstlosigkeit und Wachsein, sie reagieren nicht oder nur extrem eingeschränkt auf äußere Einflüsse, sie können nicht sprechen, essen oder komplexe Bewegungen ausführen. In Deutschland ist es übrigens erlaubt, diese Patienten sterben zu lassen - so, wie es nun auch in Reims geschehen ist. Voraussetzung ist allerdings, dass der Patient dies eindeutig als seinen Willen erklärt hat.

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Quelle:
SZ vom 12.07.2019
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