Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Sommerhit

Der Urlaubs-Ohrwurm ist Ergebnis geschickten Marketings.

Von Jakob Biazza

Sogar quasi-wissenschaftlich wurde das Wesen des Sommerhits schon untersucht: 2005 entwickelte Rupert Till an der University of Huddersfield einen "Catchiness Quotient", eine Art Ohrwurm-Quotienten. Zu den Variablen, die er nutzte, gehörte die Anzahl der verwendeten Akkorde und der Schritte in einer mit dem Song verknüpften Choreografie, außerdem der Abstand zwischen dem höchsten und tiefsten Ton im Refrain. Ergebnis: "The Ketchup Song" aus dem Jahr 2002 ist der bislang klebrigste Sommerhit, auf Platz zwei: "Macarena" (1996). Tills Erkenntnisse decken sich in etwa mit den Anforderungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die in Deutschland für Charts und die Kür des Sommerhits zuständig ist: Eine Melodie, "die Urlaubsstimmung verbreitet", soll es sein, ein Rhythmus, der zum Tanzen einlädt, dazu Charterfolg, idealerweise von einem Newcomer. Letzteres trifft nicht auf Shawn Mendes und Camila Cabello zu, deren "Señorita" Sommerhit 2019 ist. Beide hatten schon Nummer-eins-Alben. Letztlich ist auch der Sommerhit eine Frage des Marketings: Geeignete Songs werden im Frühjahr veröffentlicht, als Pausenfüller. Der Umsatzschwerpunkt der Plattenfirmen liegt im Winter, im Sommer bekommt man leichter Aufmerksamkeit und hohe Chartpositionen.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2019
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