Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Querfront

Über ein eigentlich unnatürliches Bündnis.

Von Joachim Käppner

Als Querfront wird derzeit, meist im negativen Sinne, ein eigentlich unnatürliches Bündnis von Linken, Rechten, Verschwörungspredigern und anderen bezeichnet, die den Staat und die Corona-Beschränkungen als gemeinsamen Gegner betrachten. Als "Querfront-Strategie" ist historisch bekannt der Versuch des rechten Generalmajors und starken Mannes der Reichsregierung Kurt von Schleicher, sich 1932 eine Massenbasis zu verschaffen. In der Querfront wollte er Teile der NSDAP, der Reichswehr, Gewerkschaften und der SPD sammeln. Gemeinsamer Nenner vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise sollten "die Krisenbekämpfung mittels einer stärker expansiven Haushaltspolitik sowie Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung" sein, so der Historiker Andreas Wirsching. Es sollte also eine Front quer zum Parteiensystem sein. In den Gewerkschaften war der Widerhall gering, die SPD lehnte jede Kooperation mit den Nazis ab. Als die Wahlen im November 1932 der NSDAP Verluste brachten und Schleicher anschließend Reichskanzler wurde, verhandelte er über die Querfront mit Georg Strasser, dem zweitmächtigsten Mann der NSDAP nach Hitler. Letzterer setzte sich aber durch und griff selbst nach der Macht, damit war die Querfront gescheitert. 1934 ließ Hitler Strasser und Schleicher ermorden.

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Quelle:
SZ vom 12.05.2020
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