Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Laufbursche

Ein abwertendes Wort für Bote - oder einen Altkanzler.

Von Detlef Esslinger

Was tut man so, wenn man Altbundeskanzler ist? Willy Brandt machte als SPD-Heiliger weiter, Helmut Schmidt wurde eine Art Journalist, Helmut Kohl diktierte Memoiren. Gerhard Schröder hingegen fand 2006 mit damals 62 Jahren, er sei weder alt noch Kanzler. So wurde er "Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG", was deutlich gediegener klingt als die Bezeichnung, die nun der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny für ihn wählte: "Laufbursche Putins". Auf Geheiß des russischen Staatskonzerns Gazprom (also Putins) hat Schröder diesen Job, und wer vermutet, Geld sei ihm wichtiger als Renommee, dem liefert er mitunter Indizien: Den ukrainischen Botschafter in Berlin nannte er "Zwerg", das Attentat auf Nawalny "Spekulationen". Einerseits tut Schröder also manches dafür, so geschmäht zu werden; "Laufbursche" wird laut Duden nur dann verwendet, wenn man "veraltend" und "leicht abwertend" über jemanden sprechen will, ihn also weder "Bote" noch "Kurier" nennen mag. Andererseits: Ein Laufbursche, früher im Hotel, musste sich zügig bewegen; von der Lobby ins Restaurant oder so. Schröders Ehefrau indes postete am Sonntag auf Instagram ein Foto, das den Altbundeskanzler in Filzpantoffeln zeigt, mit Schäfchenmuster. Wie soll so einer zum Laufburschen taugen?

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Quelle:
SZ vom 08.10.2020
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