Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Langeweile

Der Mensch kann vieles, Untätigkeit aber liegt ihm nicht.

Von Sebastian Herrmann

Blaise Pascal hat es vor fast 400 Jahren treffend zusammengefasst. "Nichts ist dem Menschen unerträglicher als völlige Untätigkeit", schrieb der Mathematiker und Philosoph, "als ohne Leidenschaften, ohne Geschäfte, ohne Zerstreuungen, ohne Aufgaben zu sein." Gerade sind die Menschen in Zeiten der Pandemie von vielen Aufgaben sowie Leidenschaften getrennt und gezwungen, sehr viel Zeit in ihrem Zuhause zu verbringen. Diese Situation löst zahlreiche Ängste aus, und sei es nur die vor Langeweile: Irgendwann ist der Keller aufgeräumt, die Küche geputzt, der Papierkram sortiert und so versinkt man, so die Furcht, womöglich in lähmender Monotonie. In den sozialen Netzwerken ist nun viel zu lesen, welche Filme, Serien, Bücher und andere Werke die Menschen endlich sehen, hören oder lesen möchten. Da droht die nächste Form der Langeweile: Wenn alle Dinge in merkwürdiger Gleichgültigkeit zusammenrücken und sich Langeweile wie ein schweigender Nebel ausbreitet. So in etwa hat es der Philosoph Martin Heidegger 1929 formuliert. Klarer drücken das Kinder aus, die in einem Zimmer voller Spielsachen sitzen und klagen: "Mir ist langweilig, ich weiß nicht, was ich machen soll." Eltern kleiner Kinder wird gegenwärtig sowieso nicht fad, sie haben eine Aufgabe - und sind abends zu müde, um sich noch Fragen zu stellen.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2020
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