Süddeutsche Zeitung

Afghanistan:Chaos nach Taliban-Überfall auf Ghasni

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Bei Gefechten in der ostafghanischen Stadt Ghasni sind offenbar mehr als 100 Zivilisten verletzt oder getötet worden. Dies gab die UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) in einem in der Nacht zu Dienstag veröffentlichten Bericht bekannt.

Die Gefechte in Ghasni verlagerten sich am Dienstag aus dem Zentrum auf die Außenbezirke der Stadt. Kämpfer der radikalislamischen Taliban hätten sich großteils auf Positionen in den Randbezirken der Stadt zurückgezogen, sagte Nasir Ahmad Fakiri, ein Mitglied des Provinzrats. Die Kämpfe im Zentrum seien weitgehend abgeflaut und die Regierung habe ihre Kontrolle dementsprechend wieder ausbauen können.

Allerdings seien die Fortschritte der Regierungskräfte sehr langsam, sagte ein Senator von Ghasni, Mohammed Rahim Hasanjar. "Die Sicherheitskräfte bewegen sich nur sehr vorsichtig vorwärts", sagte er, vermutlich sollten so weitere zivile Opfer vermieden werden.

Am Freitag hatten mehrere Hundert Taliban-Kämpfer Ghasni von verschiedenen Seiten überfallen. Der Angriff auf die Stadt war der zweite auf eine Provinzhauptstadt in Afghanistan in diesem Jahr.

Bei einem Angriff auf eine Militärbasis im Norden des Landes sind 17 Soldaten getötet und 19 verletzt worden. Der Vorfall habe sich Montagnacht in der Provinz Farjab im Bezirk Ghormatsch ereignet, sagte Ghafor Ahmad Dschawed, ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, am Dienstag. Der örtliche Leiter des Provinzrats, Mohammed Tahir Rahmani, sprach von 43 Toten und Verletzten. Insgesamt seien in der als Camp Chinaja bekannten Militärbasis 140 afghanische Soldaten stationiert gewesen. Die Soldaten hätten zuvor einer dreitägigen Belagerung durch die Taliban standgehalten, sagte Rahmani. Doch sie hätten keine Verstärkung erhalten und ihnen seien Munition, Wasser und Nahrung ausgegangen.

Im Süden des Landes ist nach einer Explosion am Sonntag ein US-Soldat ums Leben gekommen. Der Soldat sei in der Provinz Helmand auf Patrouille gewesen, als in seiner Nähe ein improvisierter Sprengsatz detoniert sei, teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Der Soldat sei später seinen Verletzungen erlegen. Der Vorfall werde weiter untersucht. Der Soldat sei für die Operation "Freedom's Sentinel" in Afghanistan stationiert gewesen, hieß es in der Mitteilung. Diese Mission ist der US-Kampfeinsatz gegen Terroristen. Daneben sind US-Soldaten für die Nato-Ausbildungsmission "Resolute Support" in Afghanistan stationiert.

Das Land befindet sich seit 1978 fast permanent im Kriegszustand. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 griff eine von den USA geführte Koalition das Land an und stürzte das Taliban-Regime. 2015 hat die Folgemission "Resolute Support" begonnen, deren Ziel vor allem ist, in Afghanistan für Stabilität zu sorgen.

Die Taliban sind seit Ende des offiziellen Nato-Kampfeinsatzes Ende 2014 rasant stärker geworden und kontrollieren nach Militärangaben heute wieder mindestens 14 Prozent des Landes. Weitere 30 Prozent sind demnach umkämpft. Nach einem Friedensangebot von Präsident Aschraf Ghani im Februar hatten sie ihre Angriffe intensiviert.

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