Süddeutsche Zeitung

Afghanistan-Affäre:Luftangriff auf dem Prüfstand

Lesezeit: 2 min

Verteidigungsminister Guttenberg gibt den Aufklärer und will die Umstände um den Luftschlag nahe Kundus prüfen. Die Regierung weist Vorwürfe zurück, eine Einschätzung von Experten zurückgehalten zu haben.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) lässt mit Hochdruck die Zulässigkeit des Luftangriffs auf zwei Tanklaster Anfang September nahe Kundus prüfen. Das Verteidigungsministerium arbeite an der Auswertung der zunächst zurückgehaltenen Papiere mit Hinweisen auf zivile Opfer, sagte zu Guttenberg in der ARD.

Er könne aus diesem Grund noch keine Neubewertung des von einem Bundeswehr-Oberst Anfang September angeordneten Luftschlages in Afghanistan abgeben. "Klar ist, dass vor Ort Fehler gemacht wurden, sowohl vor wie nach dem Luftschlag", sagte Guttenberg der Bild. Allerdings habe er "den Eindruck, dass das ein oder andere schon in einer sehr viel breiteren Weise gesehen werden muss".

Er ergänzte: "Ich habe damit auch überhaupt kein Problem, weil wenn man sich korrigieren muss aufgrund neuer Tatsachen, die mir nicht vorlagen, dann wird dies gemacht." Es werde auch der Frage nachgegangen, ob Opfer vermeidbar gewesen wären.

Die Fehler habe er bereits am 6. November auf Basis eines Nato-Berichtes benannt. "Ob die jetzt vorliegenden Dokumente diese Fehler in einem anderen Licht erscheinen lassen, ist Gegenstand der momentanen Prüfung", sagte der Minister. Besonders geprüft würde die Frage, ob es zum Luftschlag gegen die Tanklastwagen Anfang September überhaupt kommen musste. "Gleichzeitig werden wir uns selbstkritisch fragen müssen, ob wir als internationale Gemeinschaft wirklich alles getan haben bzw. tun, damit solche Fehler in Zukunft unterbleiben."

Seit wann weiß das Kanzleramt Bescheid?

Guttenberg hatte das Vorgehen des Bundeswehr-Oberst Anfang November aus militärischer Sicht als angemessen bezeichnet. Sein Amtsvorgänger Franz Josef Jung (CDU) musste am Freitag als Konsequenz aus in der Bundeswehr zurückgehaltenen frühen Informationen über zivile Opfer des Luftangriffs als Arbeitsminister zurücktreten.

Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans wies in Berlin einen Bericht zurück, wonach das für Verteidigungspolitik zuständige Referat im Kanzleramt den von einem deutschen Oberst angeordneten Luftschlag vom 4. September schon vor der Bundestagswahl als militärisch unangemessen eingestuft hat.

Dem Bericht des Kölner Stadtanzeigers zufolge waren die Experten zu der Einschätzung gekommen, dass der Befehl zum Luftangriff auf die Tanklastwagen bei Kundus am 4. September militärisch nicht angemessen war und es deshalb zu einem Gerichtsverfahren kommen werde.

"Es gibt diese Bewertung nicht", sagte Steegmans dazu. Er versicherte, das Kanzleramt werde alle Unterlagen dem Verteidigungsausschuss des Bundestags oder gegebenenfalls einem Untersuchungsausschuss vorlegen. Ferner verwies Steegmans auf die Vorgabe von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wenige Tage nach dem Angriff zu einer lückenlos Aufklärung. Auch das Auswärtige Amt betonte am Montag, Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erwarte, dass "der gesamte Sachverhalt gründlich und zügig aufgeklärt wird".

Union unterstützt Untersuchungsausschuss

Die Opposition hatte nach dem Rücktritt von Jung angekündigt, sie wolle auch die Rolle von Guttenberg im Zusammenhang mit den Vorgängen im Verteidigungsministerium unter die Lupe nehmen. Ein Untersuchungsausschuss soll die Informationspolitik der Regierung zu dem Luftangriff durchleuchten.

Die Unionsfraktion im Bundestag will die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses mittragen. "Wenn die Opposition dies beantragt, werden wir uns nicht verschließen", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Ernst- Reinhard Beck (CDU), im Deutschlandfunk. "Es geht darum, wer hat zu welchem Zeitpunkt was gewusst."

Zugleich betonte er, dass nicht das Verteidigungs-, sondern das Außenministerium in dieser Frage "federführend" gewesen sei. Beck nahm den zurückgetretenen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in Schutz. "Ich nehme ihm ab, dass er nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat." Dennoch könne er sich nicht erklären, warum Jung den belastenden Feldjägerbericht nicht gelesen hat.

An diesem Montag erhält Jung die Entlassungsurkunde von Bundespräsident Horst Köhler. Gleichzeitig bekommen Ursula von der Leyen (CDU) und die hessische CDU-Abgeordnete Kristina Köhler ihre Ernennungsurkunden für die Ämter als Arbeits- und Familienministerin. Die Kabinettsumbildung war nach dem Rücktritt Jungs notwendig geworden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.146866
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/AFP/hai/gal
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.