Süddeutsche Zeitung

Ägypten:Schlag gegen die Justiz

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Ägyptens Generalstaatsanwalt, eine wichtige Symbolfigur für die Verfolgung der Muslimbrüder, stirbt durch ein Bombenattentat.

Von Paul-Anton Krüger, München

In Ägypten ist am Montag Generalstaatsanwalt Hischam Barakat bei einem Bombenanschlag in Kairo so schwer verletzt worden, dass er wenige Stunden später im Krankenhaus starb. Das bestätigten die amtliche Nachrichtenagentur Mena und Justizminister Ahmed el-Zend. Der Sprengsatz hatte am Vormittag nahe der Militärakademie seine Fahrzeugkolonne im Stadtteil Heliopolis getroffen, wo Barakat wohnte. Der Anschlag markiert eine scharfe Eskalation der politisch motivierten Gewalt in Ägypten. Präsident Abdel Fattah al-Sisi traf sich mit Innenminister Magdy Abdel-Ghaffar zu einer Krisensitzung. Die Regierung beschuldigte in einer offiziellen Stellungnahme nur Stunden nach dem Attentat die Muslimbruderschaft, den Anschlag verübt zu haben. Das Attentat belege, dass die Organisation an ihrem terroristischen Aktivitäten festhalte und den ägyptischen Staat zerstören wolle.

Barakat, 65, war als höchster Strafverfolger eine wichtige Symbolfigur für die Verfolgung der islamistischen Bruderschaft, die inzwischen als Terrororganisation verboten ist. Er ist zugleich der höchstrangige Vertreter des Staatsapparates, der einem Anschlag zum Opfer gefallen ist, seit das Militär Anfang Juli 2013 den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt hat. Die Regierung teilte mit, sie hoffe, dass die Welt nun "die Natur des Kampfes gegen den Terror versteht" in dem sich Ägypten befinde.

Der Islamische Staat hat zu Terrorakten gegen Vertreter des Rechts aufgerufen

Nach Angaben der Sicherheitsbehörden war die Bombe in einem parkenden Auto versteckt und wurde ferngezündet. Auf Bildern vom Anschlagsort sind zerstörte und brennende Autos zu sehen. Neun Menschen wurden verletzt, unter ihnen laut der halbamtlichen Zeitung al-Ahram fünf Leibwächter Barakats, zwei Fahrer und zwei Passanten. Die Wucht der Explosion war so groß, dass ein Fahrzeug regelrecht zerfetzt wurde. Die Druckwelle zerstörte Fenster der umliegenden Häusern und beschädigte die Fassaden.

Der ägyptische Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat hatte jüngst zu Anschlägen auf Vertreter der ägyptischen Justiz aufgerufen. Die vor allem auf der Sinai-Halbinsel aktive Terrorgruppe Ansar Beit el-Maqdis hatte sich als "Provinz Sinai" dem Islamischen Staat angeschlossen. Das ägyptische Militär führt dort seit Monaten mit Spezialeinheiten und schweren Waffen Krieg gegen die militanten Islamisten.

Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst im Internet eine Gruppe namens "Volkswiderstand Giza", die Botschaft wurde aber später gelöscht und dementiert. Die Gruppe trat bisher nur mit kleineren Brand- und Bombenanschlägen hervor. Wer hinter ihr steht, ist nicht bekannt. Die Schwere des Anschlags und die nötige Vorbereitung sprechen eher dafür, dass eine etablierte Terrorgruppe wie Ansar Beit el-Maqdis verantwortlich ist. Barakat benutzte offenbar ein gepanzertes Auto, sein Fahrtweg muss ausgeforscht worden sein. Im Januar 2014 hatte die Gruppe bereits mit einer schweren Autobombe das Hauptquartier der Kairoer Polizei attackiert.

In den vergangenen Wochen hatte es mehrere Anschläge auf Richter gegeben. Drei von ihnen sowie ein Fahrer waren im Mai in al-Arisch im Gouvernement Nordsinai von Angreifern mit automatischen Waffen ermordet worden; der IS-Ableger Ansar Beit el-Maqdis veröffentlichte gerade erst ein Video von der Tat. Zudem gab es kleinere Bombenanschläge auf Richter und Gerichtsgebäude, bei denen aber niemand zu Tode kam. Auch die Polizei und andere Sicherheitskräfte werden regelmäßig Ziel von Attacken; die Zahl der Opfer seit der Machtübernahme des Militärs geht in die Hunderte.

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SZ vom 30.06.2015
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