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Abschiebungen und strengeres Waffenrecht:CDU pur - das ist de Maizières Anti-Terror-Katalog

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Als Konsequenz aus den jüngsten Attentaten in Deutschland stellt der Innenminister neue Maßnahmen zur Terrorabwehr vor - ohne Abstimmung mit Koalitionspartner SPD. Die Bausteine des Konzepts.

Von Ronen Steinke, München

Mit seiner Erklärung unter dem Titel "Geplante Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland" hat der Bundesinnenminister am Donnerstag, anders als tags zuvor einige seiner Länderkollegen, ein bereits recht detailliertes Konzept präsentiert. Der CDU-Politiker Thomas de Maizière machte aber deutlich, dass auch seine Vorschläge noch nicht mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt seien, sondern gewissermaßen CDU pur.

"Niemand kann die absolute Sicherheit garantieren. Aber das uns Mögliche müssen wir tun." Hier die wichtigsten Vorschläge.

Abschiebungen

Das Aufenthaltsrecht soll nach den Plänen des Ministers weiter verschärft werden. Dazu sollen erstens die Möglichkeiten zur Verhängung von Abschiebehaft und zweitens die Möglichkeiten zur Kürzung von Leistungen ausgeweitet werden.

Zum Ersten: Bislang kann ein Ausländer, der bereits für ausreisepflichtig erklärt worden ist, nur dann in Haft genommen werden, wenn zu befürchten ist, dass er sich seiner Abschiebung entziehen wird. Nach Paragraf 62 Aufenthaltsgesetz muss dies ein Richter feststellen. Künftig will de Maizière zusätzlich Ausländer, "die straffällig geworden sind oder von denen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" ausgeht, bis zu ihrem Abschiebe-Termin in Haft nehmen lassen. Dazu soll ein neuer Haftgrund im Gesetz eingeführt werden. Das heißt: Bisher sind Abschiebehaft und Strafhaft in Deutschland strikt getrennt; künftig nicht mehr so sehr.

Zum Zweiten: Wenn ein ausreisepflichtiger Ausländer seine eigene Abschiebung durch Täuschung verhindert oder zu verhindern versucht, zum Beispiel indem er "mit falschen Identitäten arbeitet", wie de Maizière sagt, können ihm schon bislang die Leistungen auf ein Minimum gekürzt werden. Künftig soll diese ausländerrechtliche Sanktion aber auch gegen Menschen möglich werden, die Straftaten begehen "oder sonst die öffentliche Sicherheit gefährden". "In allen diesen Fällen kann es nicht sein, dass durch Frechheit und renitentes Verhalten der Aufenthalt in Deutschland verlängert wird", sagte der Minister. Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen sei ein Pilotprojekt verabredet, um Abschiebeverfahren von straffälligen Ausreisepflichtigen und ausländischen Gefährdern schneller zu bearbeiten.

Überprüfung von Flüchtlingen

Bei Ausländern, die Deutschland aus humanitären Gründen aufnimmt, gibt es schon heute eine Sicherheitsüberprüfung, das heißt, dass europaweit polizeiliche Datenbanken abgefragt werden: Liegt gegen die Person etwas vor? In Zukunft will de Maizière aber noch genauer hinsehen lassen. Erstens sollen Sozialarbeiter sowie die Flüchtlinge selbst mehr Möglichkeiten bekommen, "bei psychischen Veränderungen oder Tendenzen zur Radikalisierung bei ihren Mitbewohnern oder Schützlingen" die Sicherheitsbehörden anzusprechen. Die Lehrkräfte in den Integrationskursen sollen zudem stärker für den Umgang mit Traumatisierten ausgebildet werden. Zweitens möchte der Bundesinnenminister in einem Pilotverfahren ausprobieren, ob man in Einzelfällen auch die Social-Media-Zugänge der aufgenommenen Personen vorsorglich durchsehen kann, wie dies etwa die Niederlande, Norwegen und Schweden bereits tun.

Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit für Dschihad-Reis ende

Aus Deutschland sind mehr als 800 Personen in die vom IS besetzten Gebiete in Syrien und im Irak gereist, um sich der Terrormiliz anzuschließen. Diejenigen, die einen deutschen Pass haben, können bei einer Rückkehr nach Deutschland nicht abgewiesen und auch nicht an einen anderen Ort ausgeliefert werden. Dagegen richtet sich diese Forderung de Maizières: Zumindest jene Dschihad-Reisende, die außer einem deutschen Pass noch einen zweiten haben, sollen ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, sagt der Bundesinnenminister. In Artikel 16 Grundgesetz heißt es zwar: "Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden." Gleich im nächsten Satz wird aber eingeschränkt: "Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird." Bei Doppelstaatlern stünde das Verfassungsrecht also nicht entgegen.

Straftatbestand "Sympathiewerbung"

Wer im Internet oder in einer Moschee jemanden auffordert, Geld an den "Islamischen Staat" zu spenden, macht sich schon heute strafbar; das "Werben um Mitglieder und Unterstützer" einer ausländischen terroristischen Vereinigung wird nach Paragraf 129 a Absatz 5 Strafgesetzbuch geahndet. Wer aber "nur" die Ideologie des IS verherrlicht oder bloß allgemein dazu aufruft, sich "dem Dschihad anzuschließen", ohne dass sich aus dem Zusammenhang einen Konkretisierung ergibt, geht derzeit straflos aus (BGHSt 51, 345, 353f.). Grund ist, dass dieser Straf-Paragraf im Jahr 2002 mit der Mehrheit von SPD und Grünen eingeschränkt und die bloße sogenannte Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen dabei ausgeklammert wurde. Dies möchte die Union seit Jahren rückgängig machen. Sie verweist auf die gewachsene Bedeutung von Internet-Propaganda. Die Forderung hat de Maizière am Donnerstag noch einmal bekräftigt. Zuletzt 2014 hatte der SPD-Justizminister Heiko Maas das im Interview mit der SZ als "weder sinnvoll noch notwendig" abgelehnt. Der IS sei "bereits nach dem Vereinsrecht verboten", damit könne "die Werbung für diese Terroristen schon jetzt mit bis zu einem Jahr Haft geahndet werden".

Waffenrecht

Nach den Amokläufen von Erfurt und Winnenden 2006 und 2009 wurde das Waffenrecht strenger gestaltet, nun will der Innenminister vor allem die Regeln für die sichere Aufbewahrung legaler Waffen noch einmal verschärfen, um den Gebrauch durch Unbefugte zu verhindern. In der laufenden Novellierung der EU-Feuerwaffenrichtlinie will de Maizière zudem darauf dringen, dass der Umbau von Schreckschuss- und deaktivierten Waffen in scharfe Waffen europaweit besser verhindert wird.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2016
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