Süddeutsche Zeitung

Abschiebung:Foltervorwurf im Fall Sami A.

Anwälte des abgeschobenen mutmaßlichen Islamisten behaupten, ihr Mandant sei in Tunesien gefoltert worden.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Der im Juli widerrechtlich abgeschobene Tunesier Sami A. soll in seinem Heimatland gefoltert worden sein. Diesen Vorwurf erheben zwei Anwälte des 42-jährigen mutmaßlichen Islamisten in einem Schreiben an NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP), das zuerst dem Kölner Stadtanzeiger vorlag. So habe Sami A. nach seiner Übergabe an tunesische Sicherheitskräfte am 13. Juli 2018 "nahezu zwei Tage lang" weder Nahrung noch Getränke erhalten. Auch sei er "stundenlang gefesselt" und "durch Schläge auf den Nacken am Einschlafen gehindert worden", behaupten die Anwälte. Diese Behandlung sei als Folter oder unmenschliche Behandlung einzustufen. Stamps Ministerium erwiderte, man sei "überzeugt, dass Sami A. in Tunesien nicht gefoltert worden ist und ihm auch keine Folter droht". Noch vor knapp zwei Wochen hatte Stamp angekündigt, falls Sami A. in Tunesien gefoltert würde, so würde er "nicht eine Minute zögern" und zurücktreten.

Wegen der bisher nicht erfolgten Rückholung von Sami A. muss die Stadt Bochum doch kein Zwangsgeld zahlen. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster gab am Dienstag der Beschwerde der Stadt gegen eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen statt. Das Gericht hatte Anfang August auf Antrag der Anwältin A.s ein Zwangsgeld von 10 000 Euro verhängt. Die Stadt habe "alles derzeit in ihrer Macht Stehende" unternommen, um A. nach Deutschland zurückzuholen, begründete das OVG seine Entscheidung. Der Beschluss ist demnach unanfechtbar. Der zuletzt in Bochum lebende A. war Mitte Juli unter umstrittenen Umständen aus Deutschland abgeschoben worden. Einen Tag zuvor hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein Abschiebeverbot verhängt, weil A. in seiner Heimat Folter drohe.

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SZ vom 29.08.2018
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