Süddeutsche Zeitung

Waldbrände in Kalifornien:"Das ist das verbrannte Heim von jemandem"

Lesezeit: 2 min

Über San Francisco liegt giftiger Rauch. Es herrscht die höchste Warnstufe. Die Menschen bemühen sich, nicht in Panik zu verfallen - und angesichts der vielen Brandopfer um Einordung.

Von Malte Conradi, San Francisco

Ja, auch in San Francisco hängt seit Tagen Rauch in der Luft. Eine Woche lang waren die Waldbrände eine ferne Katastrophe für die Menschen in San Francisco und dem Silicon Valley. Paradise, der vom "Camp-Fire" fast völlig zerstörte Ort mit 26 000 Einwohnern, liegt von der Bay Area und den sieben Millionen hier lebenden Menschen rund drei Autostunden entfernt. Dort, am Rande der Sierra Nevada kamen mehr als 60 Menschen ums Leben, mehr als 600 Menschen noch als vermisst, von Tausenden Häusern ist nur noch Asche übrig, 50 000 Menschen sind obdachlos.

Eine ferne Katastrophe? In San Francisco lassen Schulen die Kinder in den Pausen nicht mehr auf den Hof, die Gesundheitsbehörde riet, in geschlossenen Räumen zu bleiben, der eine oder andere trug auf der Straße Atemschutzmasken. Aber all das ist man schon gewohnt von den Waldbränden der vergangenen Jahre. Und so anders als der übliche Nebel, der vom Pazifik morgens in die Stadt zieht, sah der Rauch auch nicht aus.

All das änderte sich am Donnerstag innerhalb weniger Stunden. Die Rauchschwaden stehen seither gelblich giftig in der Stadt. In den Straßen husten die Menschen, die Augen tränen. Am Nachmittag ein Anruf auf dem Handy: Die Schulen in der gesamten Region bleiben vorerst geschlossen, sagt die Stimme vom Tonband, wegen der schlechten Luft. Ratlose Eltern diskutieren, was das bedeuten soll, natürlich sind die Schulen so aus der Verantwortung, aber besser ist die Luft zu Hause auch nicht.

Unterdessen veröffentlicht die Stadtverwaltung im Internet eine Warnung: Die Luftqualität in der Stadt überspringt auf der Skala eine Stufe: Von rot ("ungesund") springt sie ohne Halt bei lila ("sehr ungesund") gleich auf dunkelrot ("gefährlich"). In keiner anderen Stadt der Erde ist die Luft in diesem Moment schlechter, in Peking nicht und auch nicht in Neu-Dehli.

Was da aus den Waldbrandgebieten im Norden kommt, ist eben nicht nur der Rauch von verbranntem Holz, lautet die Erklärung. Es sind auch die Dämpfe Tausender verbrannter Häuser und Zehntausender verkohlter Autos.

Auch die berühmten Straßenbahnen von San Francisco bleiben in den Depots, an ihrer Stelle fahren geschlossene Busse.

Die Gelassenheit weicht sich breit machender Unsicherheit

Auf dem Schulhof, in Geschäften und Restaurants diskutieren fremde Menschen miteinander die dunkelrot und lila eingefärbten Landkarten auf ihren Handys. Später werden die Internetseiten, die diese Karten bereitstellen, nicht mehr erreichbar sein, die Server brechen wegen zu vieler Zugriffe zusammen. Dann eine neue Nachricht der Stadt. Jetzt ist es eine Liste mit Zufluchtsorten - Bibliotheken, Museen, Turnhallen und Gemeinderäume, in denen die Luft gefiltert wird.

Die Gelassenheit der vergangenen Tage weicht nun Unruhe, in manchen Momenten fast Panik. Wo soll man denn hin, in den umliegenden Gebieten ist es ja nicht besser. Und es wird wohl noch mindestens ein paar Tage so bleiben, Wind oder gar Regen, die für saubere Luft sorgen könnten, sind nicht abzusehen. Wem es nicht möglich ist, gleich für ein paar Tage in die Sierra Nevada zu fahren oder in den Süden nach Santa Barbara, der wird die kommenden Tage viel Zeit in Shopping Malls verbringen, in Schwimmbädern oder Museen.

Am späteren Nachmittag dann, als sich in einer Drogerie Verzweiflung breit macht, weil auch hier die Atemschutzmasken ausverkauft sind, rückt ein älterer Herr die Verhältnisse zurecht. "Was uns hier in den Augen brennt", sagt er, "das ist das verbrannte Heim von jemandem."

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